© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

Harte Hiebe statt heißer Liebe
Ampelkoalition: Vor allem Grüne und FDP zoffen sich wie die Kesselflicker/ Aber die Angst vor dem Machtverlust schweißt wieder zusammen
Paul Rosen

Die Grünen im Bundestag verhalten sich wie die Teilnehmer der Echternacher Springprozession. Nach zwei Schritten vor geht es wieder einen zurück, aber am eigentlichen Ziel ändert sich nichts. Die bislang erfolgsverwöhnte Partei mußte lernen, daß es in der Politik auch herbe Rückschläge geben kann. Eine beispiellose Korruptionsaffäre um Staatssekretär Patrick Graichen und ein Enteignungsängste auslösendes Gebäudeenergiegesetz ließen zunächst die Popularität des grünen Superstars Robert Habeck in den Keller stürzen und bescherten der Partei bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen eine krachende Niederlage.

Parallel zur grünen Schwächephase begannen der FDP unerwartet Muskeln zu wachsen. Die FDP-Bundestagsfraktion verhinderte, daß das im Kabinett bereits beschlossene Gebäudeenergiegesetz noch im Mai auf die Tagesordnung des Bundestages kam. Gerade gegen dieses Gesetz, das unter anderem vorschreibt, jeden Neubau zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien zu beheizen und mit dem ein Ersatz von defekten durch neue Gas- und Ölheizungen in den meisten Fällen nicht mehr möglich sein soll, hatte es große Proteste gegeben. „Die Leute sind in Panik“, berichtete etwa ein Heizungsbauer. Wärmepumpen seien fast unbezahlbar geworden. 

„Unzuverlässige und destruktive Clique“

Habeck pochte zunächst auf die Vereinbarung des Koalitionsausschusses. Darin hatten die Partner festgelegt, den Gesetzgebungsprozeß zum Gebäudeenergiegesetz bis zur Sommerpause abzuschließen. Als die FDP-Fraktion sich querlegte, sagte Habeck der Presse, daß die Verabschiedung im Juni nicht mehr möglich sein werde: „Ich nehme zur Kenntnis, daß die FDP sich nicht an das gegebene Wort hält an dieser Stelle“, so sein verärgerter Kommentar an die Adresse des Koalitionspartners. Der grüne Innenpolitiker Marcel Emmerich nannte die FDP sogar „eine unzuverlässige und destruktive Clique“.

Kurz vor Pfingsten erfolgte der Echternacher Rückschritt. Habeck erklärte: „Ich will das Gesetz besser machen.“ Die angebliche Verbesserung entpuppt sich schon beim ersten Hinsehen als Teilrückzug. So könnte die Wärmepumpenpflicht jetzt nicht mehr alle Wohnungs- und Gebäudeeigentümer mit Gas- und Ölheizungen treffen, sondern nur für ab 2024 geplante Neubauvorhaben gelten. Die Nutzung von Holzpellets könnte doch noch erlaubt werden, und zusätzlich zu den geplanten Ausnahmen etwa für über 80jährige Hauseigentümer könnte man sich auch andere Fallgruppen „anschauen und da großzügiger sein“, ließ der Minister verlauten. Habeck und die Grünen zogen damit die Konsequenzen aus dem Umfragetief und einer Ermahnung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der seine Koalitionspartner zur Einigung aufgerufen hatte. Sollte es dazu kommen, könnte das Energiegesetz doch vor Beginn der parlamentarischen Sommerpause am 7. Juli beschlossen werden. Wenn das Gesetz aber erst im September den Bundestag passiert, wäre dies angesichts der Einschränkungen auf Neubauplanungen auch nicht besonders problematisch.

Für die Grünen steht viel auf dem Spiel. Durch die Wutstimmung in der Bevölkerung droht bei der Landtagswahl in Hessen ein Verlust der Regierungsbeteiligung und bei der Wahl in Bayern ein katastrophales Ergebnis. Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) sah schon die Koalition vor dem Aus. Wenn der Streit nicht aufhöre, dann werde Scholz gar nichts anders können, als die Vertrauensfrage zu stellen. Doch danach sieht es nach Habecks Rückzieher vorerst nicht aus.