© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 23/23 / 02. Juni 2023

Auf den Clown gehört
Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik: Die Entlassung von Behördenchef Arne Schönbohm könnte für Innenminsterin Nancy Faeser zum Problem werden/ Sämtliche Vorwürfe unzutreffend
Peter Möller

So hat sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Sache bestimmt nicht vorgestellt. Mit der Absetzung des Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), Arne Schönbohm, am 18. Oktober vergangenen Jahres wollte sie Entschlossenheit demonstrieren und einen Mann von der Spitze einer Behörde entfernen, die in den vergangenen Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen hat. Der Vorwurf gegen Schönbohm: Er sei wegen angeblicher Nähe zu russischen Geheimdiensten ein Sicherheitsrisiko. 

Doch die Sache ist für Faeser gewaltig nach hinten losgegangen. Diese Feststellung kann man spätestens seit der vergangenen Woche treffen, nachdem eine Vertreter der Ministerin vor dem Innenausschuss des Bundestages einräumen mußte, daß die Prüfung eines Disziplinarverfahrens gegen den früheren BSI-Chef, der zum 1. Januar an die Spitze der deutlich kleineren Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung versetzt worden war, fallengelassen worden sei, da sich die Vorwürfe gegen ihn nicht erhärtet hätten. Mit anderen Worten: Die Vorwürfe gegen Schönbohm, die Innenministerin Faeser als Grundlage für seine Abberufung als BSI-Chef gedient hatten, haben sich als haltlos erwiesen. An der unterstellten Nähe Schönbohms zu russischen Geheimdienstkreisen ist nichts dran, der geschaßte BSI-Chef demnach kein Sicherheitsrisiko.

Für Faeser, die bislang beharrlich zu der aus ihrer Sicht äußert unerfreulichen Entwicklung im Fall Schönbohm schweigt, könnte der Zeitpunkt nicht ungünstiger sein. Die SPD-Politikerin bereitet derzeit ihren Wahlkampf als Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Landtagswahl am 8. Oktober in Hessen vor. Da kommen Berichte, daß sie möglicherweise einen Top-Beamten wegen haltloser Vorwürfe vorschnell aus dem Amt entfernt hat, weil er das falsche Parteibuch hat, äußerst ungelegen.

„Wäre angebracht, Schönbohm öffentlich zu rehabilitieren“

Zu verdanken hat Faeser diese verzwickte Situation dem ZDF-Moderator Jan Böhmermann. Dieser hatte Anfang Oktober 2022 die Affäre mit einem Bericht in seiner Sendung „ ZDF Magazin Royal“ losgetreten. Darin waren Schönbohm mögliche Kontakte zu russischen Geheimdienstkreisen über den von ihm 2012 mitgegründeten Verein „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“ unterstellt worden. Der Verein hat sich nach eigenen Angaben auf seiner Internetseite zum Ziel gesetzt, „Unternehmen, Behörden und politische Entscheidungsträger im Bereich Cybersicherheit zu beraten und im Kampf gegen die Cyber-Kriminalität zu stärken.“ In der Böhmermann-Sendung wurde insbesondere die Mitgliedschaft der Berliner Cybersecurity-Firma Protelion in dem Verein kritisiert. Denn dabei soll es sich um eine Tochterfirma einer russischen IT-Sicherheitsfirma handeln, die von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Nachrichtendienstes KGB gegründet wurde. Der „Cyber-Sicherheitsrat Deutschland“ schloß in Folge der Berichterstattung die Firma Protelion aus, verwies allerdings darauf, daß das Unternehmen in der Vergangenheit auch durch Bundesministerien „protegiert“ worden sei, „beispielsweise durch eine Förderung im Auslandsmesseprogramm des Wirtschaftsministeriums.“

Der Angriff gegen den BSI-Chef kam nicht völlig überraschend. Schönbohm sah sich seit seiner Ernennung 2016 durch den damaligen Innenminister Thomas de Maizière (CDU) Kritik ausgesetzt. Vor allem in linken Kreisen galt der Sohn des früheren Generals und CDU-Politikers Jörn Schönbohm als Fehlbesetzung. Als Diplom-Betriebswirt sei er ungeeignet zur Führung einer Behörde, die für die IT-Sicherheit des Landes zuständig sei und an der Spitze eine Führungsperson mit technischen Verstand brauche.

Mit dem Aus für ein Disziplinarverfahren, dessen Prüfung Schönbohm nach seiner Absetzung selbst gefordert hatte, um eine öffentliche Entlastung von den Vorwürfen gegen sich zu erreichen, ist die selbstverschuldete Affäre für das Bundesinnenministerium (BMI) und Nancy Faeser indes noch nicht ausgestanden. Der Anwalt von Arne Schönbohm, Christian Winterhoff, hat gegenüber dem Magazin Business Insider schwere Vorwürfe gegen das Ministerium erhoben: „Zumindest für mich ist der Eindruck entstanden, daß es dem BMI in erster Linie darum ging, Herrn Schönbohm von seiner Position als Präsident des BSI zu entbinden. Da er kein politischer Beamter war, der ohne Angabe von Gründen allein wegen fehlenden Vertrauens abberufen werden kann, stützte sich das Ministerium auf die in der ZDF-Sendung Magazin Royale gegen Herrn Schönbohm erhobenen Vorwürfe – obwohl diese im Dezember 2022 durch umfangreiche Stellungnahmen von Herrn Schönbohm bereits widerlegt waren, ohne daß das Ministerium dem jemals inhaltlich entgegengetreten wäre.“

Er habe den Eindruck, daß für das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte und die anschließende Versetzung von Arne Schönbohm vorrangig politische Motive ausschlaggebend waren, für die dann nachträglich nach juristischen Begründungen gesucht worden sei. „Umso mehr wäre es jetzt angebracht, Herrn Schönbohm öffentlich zu rehabilitieren“, forderte der Anwalt. Nach Informationen der Welt wird Schönbohm allerdings keine weiteren rechtlichen Schritte gegen seine Entlassung und Versetzung zu einer wesentlich kleineren Behörde ergreifen. Er lasse allerdings prüfen, ob die Ministerin für ihr in die Kritik geratenes Vorgehen bei seiner Absetzung wegen Rufschädigung und auf Schadenersatz verklagt werden kann, berichtet die Zeitung.

Ob Nancy Faeser sich tatsächlich zu einer Rehabilitierung Schönbohms durchringen kann, erscheint äußerst zweifelhaft, müßte sie doch öffentlich einen Fehler eingestehen. Eine andere Frage ist zudem, wie sich das ZDF zu der ganz offensichtlich fehlerhaften und politisch motivierten Recherche in der Sendung von Jan Böhmermann verhält. Bislang steht eine entsprechende Stellungnahme des Senders noch aus.