Kühler Schatten reißt mich aus Entspannung und Gedanken. Wir sind unter die Bäume des gegenüberliegenden Seeufers geraten. Hinter Geäst kann ich leicht erhöht mehrere flache Häuser samt Gärten erkennen.
„Sind Sie mein Besichtigungstermin?“, fragt eine Stimme von der Seite. Ein Mann Ende Sechzig steht an einem schmalen behelfsmäßigen Anlegesteg.
„Nein, aber meine Frau und ich sind stets auf Haussuche am Wasser“, schalte ich blitzschnell und erhoffe mir DIE
Chance. „Geht’s um ein Grundstück dort oben? Wenn Ihr Interessent nicht kommt, würde ich spontan einspringen.“
„Warum nicht, allerdings hat der potentielle Käufer schon so gut wie zugesagt und sich den Zuschlag reserviert“, schmunzelt der Mann in einer Mischung aus gutmütiger Verdutztheit und Gefallen an soviel Flexibilität.
Seitdem ein Dauerwohnrecht für das Areal vorangestrieben wird, kaufen insbesondere Lokalpolitiker.
Ich steige aus dem Boot und nach kurzem Vorstellungszeremoniell folge ich dem Herrn die verwitterten Baumstammstufen hinauf auf das Bebauungsplateau: Er sei kein Makler, sondern der Eigentümer. Das gesamte Areal bestünde aus Datschen. Kein Dauerwohnrecht. Seitdem er in Rente sei, könne er sich beides, Wohnung und Datsche, nicht mehr leisten. Außerdem solle das Geld ihm helfen, im Alter über die Runden zu kommen. Es sei nämlich erst eine Mieterhöhung reingeflattert, von Renovierung und Inflation ganz zu schweigen. „Vergleichsweise altes und kleines Häuschen, das man nur eingeschränkt nutzen darf“, entgegne ich kritisch, um mich angesichts der 1A-Wasserlage nicht vollends von meiner Begeisterung übermannen zu lassen.
„Noch!“, entgegnet der Mann selbstbewußt. „Seit kurzem wird ein Dauerwohnrecht für die Siedlung vorangetrieben. Was meinen sie, wie die beteiligten Lokalpolitiker seitdem hier selbst kaufen? Einer hat erst kürzlich zwei nebeneinander liegende Grundstücke erworben und steht ganz ungeduldig in den Startlöchern, ein neues Einfamilienhaus zu bauen.“
Nach einem Rundgang entlang moosiger Jägerzäune und knarzender Wellplastikdächer erreichen wir wieder das Ufer und tauschen gerade die Telefonnummern aus, als ein Boot heranrauscht. Großer Heckmotor, große verspiegelte Sonnenbrille, großer Hemdkragen: „Tut mir leid für die Verspätung, ich habe mich an den Verbindungsstücken der Seen verfahren.“