© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/23 / 26. Mai 2023

Jeder Tag dauerte eine Ewigkeit
Das Gulag-Leben eines Banater Schwaben von 1945 bis 1951
Claus-M. Wolfschlag

Im Zuge einer Tätigkeit für die Schwäbische Zeitung lernte Gerd Meissner 2015 Adam Zirk kennen, der bei einer Gedenkfeier der Banater Schwaben die Festrede hielt. Beide trafen sich danach mehrfach, und schließlich holte Zirk das Manuskript seiner Lebenserinnerungen hervor. Das nicht mehr taufrische Einzel-exemplar wurde von Meissner gescannt, auf CD gesichert und nun veröffentlicht. So wurde ein Zeitzeugnis der Nachwelt erhalten. Zirk stammte aus Nitzkydorf im heutigen Rumänien. 

Die Region blieb vom Zweiten Weltkrieg relativ verschont, doch bereits im Januar 1945 begann die Rote Armee, Volksdeutsche in Arbeitslager zu verschleppen. Es traf Frauen zwischen dem 18. und 33. sowie Männer vom 17. bis 45. Lebensjahr. Junge Mütter wurden von ihren Kindern getrennt, Jugendliche von den Eltern, Ehepartner voneinander. Zirk wurde als 19jähriger in diverse Lager deportiert, um dort unter schweren Bedingungen Zwangsarbeit zu leisten. Es ging erst in den Donbass, dann in den Ural, schließlich in die Nähe des Polarkreises.

Adam Zirk berichtet viele Details aus dem Gulag-Leben. Auch Naturbetrachtungen und eine leider unglückliche Liebschaft zu einem russischen Bauernmädchen gehören zu seinen Schilderungen. Er mußte seine schönsten Jugendjahre hinter Stacheldraht verbringen: „Mehr als sechs Jahre bedeuten nämlich über zweitausendzweihundert Tage, und jeder Tag im Lager dauert eine Ewigkeit.“ Dabei hatte er noch Glück, überhaupt lebend zurückzukehren. Viele Gefangene starben an Entkräftung, Kälte, Krankheit. Eigene Verwandte wurden irgendwann bei zufälligen Begegnungen nicht mehr erkannt, so ausgezehrt waren ihre Körper. Zudem gab es Morde unter den russischen Häftlingen, die eine strenge, von Mafia-Mitgliedern eingeforderte Hierarchie im Lager aufrechterhielten. Auch Zirk mußte gute Kleidung und Geld an Mafiosi ohne Protest aushändigen, wurde aber ansonsten von den russischen Mithäftlingen als junger Deutscher in Ruhe gelassen. Außerdem begegnete er mehreren Menschen, die seine Schutzengel wurden und denen er in seinem Buch Worte der Dankbarkeit widmet. Ausgezehrt kehrte er im März 1951 zu seiner Familie ins Banat zurück.

Da er bis 1983 im kommunistischen Rumänien lebte, mußte er seine Erinnerungen lange verschweigen. Zirk nimmt deshalb heute kein Blatt mehr vor den Mund und äußert klar „Wut und Haß gegen das damals herrschende kommunistische Unterdrückungssystem, dem Millionen von Menschen zum Opfer fielen“. Leider wiesen viele West- und Mitteldeutsche starke Wissensdefizite gegenüber diesem Leidensweg ihrer Landsleute im Osten Europas auf.

Adam Zirk: Eine Jugend im Gulag. Von der Deportation in die Strafgefangenschaft. Neobooks, Berlin 2022, broschiert, 126 Seiten, 8,99 Euro