Auf viele Monate der Enttäuschung folgte der große Durchbruch. Im April 1873, drei Jahre nach Beginn der Ausgrabungen, stieß man auf die Überreste einer Stadt, die um 2450 v. Chr. einer Brandkatastrophe zum Opfer gefallen war. Kurz darauf, am 31. Mai, fand Heinrich Schliemann an einer Mauer in einer Tiefe von etwa 8,50 Metern „einen großen kupfernen Gegenstand höchst merkwürdiger Form, der um so mehr meine Aufmerksamkeit auf sich zog, als ich hinter demselben Gold zu bemerken glaubte“, so seine spätere Beschreibung. „Um den Schatz der Habsucht meiner Arbeiter zu entziehen und ihn für die Wissenschaft zu retten, war die allergrößte Eile nötig (…) und während meine Arbeiter aßen und ausruhten, schnitt ich den Schatz mit einem großen Messer heraus, was nicht ohne die allergrößte Kraftanstrengung und die furchtbarste Lebensgefahr möglich war, denn die hohe Festungsmauer, welche ich zu untergraben hatte, drohte jeden Augenblick auf mich einzustürzen.“ Seit Schliemann im Alter von sieben Jahren ein Geschichtsbuch für Kinder bekommen hatte, ließ ihn der Traum von Troja nicht mehr los. Viel später konnte er Homers Epos „Ilias“ über den zehnjährigen Belagerungskrieg der Griechen gegen die Trojaner im Original lesen und war überzeugt, daß dieser Dichter aus dem 8. Jahrhundert v. Chr. von einer wahren Begebenheit berichtete.
Schliemann kaufte seinen Fund der türkischen Regierung ab
Zunächst stürzt er sich in kaufmännische Aktivitäten und erzielt ein Millionenvermögen. Er bereist die halbe Welt, lernt zu den fünf beherrschten Fremdsprachen 1856 auch noch Altgriechisch, um sein geliebtes Troja-Projekt zu verwirklichen. Im Frühjahr 1870 hat Schliemann nach einem Studienaufenthalt in Kleinasien den Hisarlik-Hügel als Stätte der von Homer besungenen Stadt ausgemacht. Er nimmt dessen Dichtung wörtlich und hält den Hügel, eine Stunde vom Hellespont entfernt, für das antike Stadtwesen. Mehrere Besiedelungsschichten werden freigelegt, aber keine erbringt einen Hinweis auf den Trojanischen Krieg. Heute weiß man, daß es mindestens neun solcher Schichten gibt, die aus den Epochen etwa 2950 v. Chr. bis um 500 n. Chr. reichen. Schliemann vermutete Troja in der Schicht II und ließ ohne Rücksicht auf andere Fundstätten bis dorthin durchgraben.
Sein spektakulärer Fund vor 150 Jahren umfaßte 8.833 Einzelteile, darunter pfundschwere goldene Becher und zwei Diademe aus Gold. Dessen materieller Wert war so beträchtlich, daß die türkische Regierung in Istanbul auf Herausgabe klagte. Der Streit wurde beendet, indem Schliemann eine Entschädigungssumme von 50.000 Goldfranken zahlte, wofür er als alleiniger Eigentümer anerkannt wurde. Seinen Fund nannte er „Schatz des Priamos“, nach dem König des Stadtstaates. Ein Irrtum, wie sich später herausstellte, denn der Trojanische Krieg fand um 1180 v.Chr. statt, während die bronzezeitlichen Fundstücke vom Hisarlik gut 1.200 Jahre älter sind.
Gleichwohl war Heinrich Schliemanns Ruf glänzend gerechtfertigt. Durch seinen Fund bewies er die bis dahin von der Fachwissenschaft nur als Legende gedeutete griechische Frühzeit als historische Tatsache. In seinem Standardwerk „Götter, Gräber und Gelehrte“ drückt C. W. Ceram (eigentlich Kurt Wilhelm Marek) seine Bewunderung darüber aus, daß ein Mann „es wagt, kaum mit mehr belastet als mit seinem Homer im Kopfe, der wissenschaftlichen Welt zu trotzen, dem Zweifel an Homer sein Kredo entgegenzurufen, die Feder der Philologen zu verachten, um mit dem Spaten zu klären, was hundert Bücher bis dahin verwirrt hatten“.
Seinen „Schatz des Priamos“ schenkte der Forscher 1881 „dem Deutschen Volke zu ewigem Besitze und ungetrennter Aufbewahrung in der Reichshauptstadt“. Was die sowjetischen Besatzer 1945 nicht daran hinderte, sich das wertvolle Gut unter den Nagel zu reißen und dann jahrzehntelang Unwissenheit über seinen Verbleib zu heucheln. Erst 1994 kam die Wahrheit über diese Raubkunst ans Tageslicht. Eine Rückgabe wird von den Russen bis heute verweigert.