© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/23 / 26. Mai 2023

Auf verlorenem Posten
Frankreich: Der Publizist Dominique Venner wählte vor zehn Jahren den Freitod
Werner Olles

Am 21. Mai 2013 kurz vor 15 Uhr betritt der französische Schriftsteller Dominique Venner  die Kathedrale Notre-Dame de Paris, geht zum Altar und schießt sich eine Kugel in den Mund. Er hinterläßt einen Brief, um seine Tat zu erklären: „Da am Abend meines Lebens mein französisches und europäisches Vaterland in großer Gefahr schwebt, habe ich mich entschlossen zu handeln, solange es meine Kräfte noch zulassen. Während viele Menschen sich zu Sklaven ihres Lebens machen, verkörpert meine Geste eine Ethik des Willens. Ich übergebe mich dem Tod, um die trägen Geister aus ihrem Dämmerschlaf zu wecken. (…) Ich erhebe mich gegen die Seelen zerstörenden Gifte und gegen den Angriff individueller Begierden auf die Anker unserer Identität, besonders auf die Familie, die intime Säule unserer Jahrtausende alten Zivilisation. Ebenso wie ich für die Identität aller Völker in ihren Heimatländern eintrete, erhebe ich mich zugleich gegen das vor unseren Augen begangene Verbrechen der Ersetzung unserer Völker durch andere. Ich verzichte auf den Rest Leben, der mir noch bleibt, für einen grundlegenden Akt des Protestes.“ 

Politischer Aktivist mit Sinn für Traditionen

Venner, Jahrgang 1935, war politischer Aktivist und Theoretiker, Aristokrat und Rebell, Autor von über fünfzig historischen und politischen Büchern, darunter „Söldner ohne Sold. Die deutschen Freikorps 1918–1923“, sowie fünffacher Familienvater. Dem Verfall der von ihm hochgehaltenen Werte setzte er eine Kultur der Ethik entgegen: „Ich wünsche mir, daß man in Zukunft vom Glockenturm meines Dorfes ebenso wie von den Türmen unserer Kathedralen weiterhin das friedensstiftende Läuten der Glocken hören wird. (…) Ich hoffe, daß man aufhören wird, um Verzeihung und Erbarmen zu flehen, und stattdessen die Lebenskraft, die Würde und die Tatkraft anrufen wird.“ 

Algerien-Freiwilliger von 1954, Mitglied der OAS, die durch Attentate auf hohe Politiker auf sich aufmerksam macht, erhält er 18 Monate Gefängnis. Er schließt sich der Gruppe „Jeune Nation“ an, die 1956 während des ungarischen Volksaufstandes die Zentrale der Kommunistischen Partei in Paris besetzt. 1963 gründet er „Europe-Action“, und ein paar Jahre später ist er Mitbegründer der rechten Denkfabrik GRECE. 2002 gründet er das Geschichtsmagazin La Nouvelle Revue d’Histoire.

Vom linksliberalen Establishment verhöhnt, starb Dominique Venner, ohne daß dieser Akt als Fanal wirkte: Ein letzter Beweis, daß er als Aktivist und Gelehrter auf verlorenem Posten stand. Daher seine radikale Geste der Verzweiflung, die denoch Haltung ausdrückte: als aufrechter Franzose und stolzer Europäer, der sich seiner Identität und seiner Wurzeln bewußt war.

Eine vergangenen Samstag geplante Gedenkveranstaltung des Bildungsinstituts Iliade, das sich dem Denken Venners verpflichtet fühlt, wurde von der Polizeipräfektur verboten.