Seit ihrer Erstveröffentlichung als Supplementband der kritischen Gesamtausgabe behauptet sich die Klavierfassung von Gustav Mahlers „Lied von der Erde“ in Aufführungen und im Aufnahmestudio gegen die Symphonie als eigenständige Komposition: die heimliche Neunte des todkranken Komponisten, das erste seiner Weltabschiedswerke, das die Endlichkeit des Lebens und die Unendlichkeit der Welt besingt.
Diesmal hält Pianist Gerold Huber die Symphonie zusammen, macht die Verläufe des schwierigen Klaviersatzes transparent und trägt das Geschehen auch da noch, wo zwei extrem gegensätzliche Stimmträger und Auffassungen es kaum mehr zu tragen vermögen.
Der eine, Piotr Bezcala, holzt sich mit überbrusteter, vibratöser Stimmgebung in postveristischer Manier verständnislos durch die Tenorsätze. Der andere, Christian Gerhaher, verweigert den drei Alt- bzw. Baritonsätzen alles kulinarische Surplus. Im Herbst seiner Karriere verzichtet der Liedersänger auf alle stimmliche Rundung, bildet die Worte vielmehr auf den Tönen nach, denn daß er sie singt, und meidet allen exuberanten Ausbruch, wo ihm die Stimme leicht aus dem Fokus rutschen könnte. Doch gibt er ganz eigenartige Stimmungen, schmerzend befremdende Wirkungen, gewiß nicht im den Sänger überfordernden Allegro-Teil des vierten Satzes, jedoch im zweiten und im Schlußsatz, dem eigentlichen Ereignis der Sinfonie, ein auf die innerste Substanz reduziertes Musizieren, aber auch ein zu Tode ausgedünntes. Von der Schönheit der Erde bleibt da nichts.
Gustav Mahler: Das Lied von der Erde Sony 2023