© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/23 / 26. Mai 2023

„Irgendwie läuft das nicht“
Besetzungen: Radikale Klimaschützer wenden sich mit ihren Aktionen gezielt an Schüler – ohne allzu großen Erfolg
Hinrich Rohbohm

Die Botschaft auf dem Transparent ist eindeutig: „Die Krisen haben System. Die Zerstörung angreifen. Das System lahmlegen“ steht auf weißem Tuch geschrieben. Auch die Symbole darauf sprechen für sich. Ein loderndes Feuer. Zwei Fäuste, zu einem X gekreuzt.

Das Plakat hängt nicht etwa vor irgendeinem linksradikalen Zentrum. Es hängt in der Aula des Göttinger Otto-Hahn-Gymnasiums. Schüler haben sich dort zu einem Vortrag der radikalen Klimagruppe „End Fossil – Occupy“ versammelt, die die Pennäler „aufklären“ will. Mit dabei: Mindestens eine Lehrerin, die sich zu den Schülern auf den Boden gesetzt habe, wie ein von einem Gymnasiasten der JUNGEN FREIHEIT zugeschicktes Foto zeigt.

Doch es handelt sich dabei um keinen gewöhnlichen, von der Schule organisierten Vortrag. Denn die selbsternannten „End Fossil“-Aktivisten haben die Aula „besetzt.“ An den Eingängen zur Schule kleben für jeden gut sichtbar professionell erstellte Zettel, die die Besetzung ankündigen und zu „Protest“ und „Widerstand“ aufrufen.

Vielsagend: In dem Schreiben wird vor allem Kritik an der „gewaltvollen Räumung von Lützerath“ und dem Bau von „neuen LNG-Terminals“ geübt. Insbesondere die von 2020 bis Januar dieses Jahres erfolgte illegale Besetzung von Lützerath war maßgeblich von der gewaltbereiten Klimagruppe „Ende Gelände“ betrieben worden. Die Gruppe wird von der sogenannten Interventionistischen Linken (IL) gesteuert, die das Bundesamt für Verfassungsschutz als linksextrem einstuft. Ebenso waren es linksradikale Gruppen, die im Sommer vorigen Jahres zu Demonstrationen, Blockaden und Sabotage-Aktionen gegen den Bau von LNG-Terminals aufgerufen hatten (JF 34/22).

In den sozialen Medien bewirbt „End Fossil – Occupy“ Aktionstrainings von „Ende Gelände“. Unter anderem eines an der Universität Bremen. Genau dort, wo im Namen von „End Fossil – Occupy“ und unter Tolerierung der Universitätsleitung in diesem Monat ein Hörsaal besetzt wurde. Und auch „Ende Gelände“ bewirbt in den sozialen Medien die Kampagne von „End Fossil – Occupy“: „Mit dem Mai beginnen die Besetzungen“, heißt es dort.

Auch die Symbole der radikalen Bewegung sind vielsagend: Die Faust als Zeichen der Revolution, deren gekreuzte Form an das X-Symbol der Klima-Endzeitsekte „Extinction Rebellion“ erinnert. Auch das Symbol von Ende Gelände ist ein von zwei gekreuzten Hammern dargestelltes X. Gleichzeitig fehlt auf dem Zettel an den Eingängen des Göttinger Otto-Hahn-Gymnasiums ein für Veröffentlichungen verpflichtendes Impressum. Trotz des politisch-radikalen Charakters des Schreibens war das für die Schulleitung offenbar kein Grund, Transparent und die Besetzungsankündigungen entfernen zu lassen.

Auch mit der illegalen Besetzung  selbst hatte das Direktorium offenbar kein Problem. Sogar die Göttinger Stadtverwaltung duldet die illegale Besetzung. Das bestätigt deren Antwort auf eine Anfrage der CDU im Stadtrat. „Wir dulden die Besetzung, wenn sie friedlich und störungsfrei verläuft“, heißt es darin. Mit anderen Worten: Hausfriedensbruch ist für die Stadt in Ordnung, solange dabei keine Gewalt angewendet werde. Da Hausfriedensbruch nur auf Antrag verfolgt wird, die Stadtverwaltung sich aber weigert, einen Strafantrag zu stellen, wird die Besetzung für die Störer ohne juristische Konsequenzen bleiben.

„Ärger mit den Ökos und den Linken vermeiden“ 

„Es ist eine echte Schande für unsere Schule“, schimpft Justin (Name geändert), ein 17 Jahre alter Gymnasiast, der „lieber anonym“ bleiben möchte, gegenüber der JF. „Jeder weiß und sieht, daß die Besetzung von Linksradikalen organisiert wird. Von meinen Lehrern erwarte ich einfach, daß sie Schule und Schüler vor solchen Fanatikern schützen und über die Hintergründe der Täter im Unterricht warnen und aufklären. Stattdessen solidarisieren sich manche von ihnen sogar mit den Tätern. Wie sollen wir Schüler da ein Rechts- oder Unrechtsbewußtsein entwickeln?“

Seine gleichaltrige Mitschülerin Jana (Name geändert) sieht es ähnlich. „Zumindest erwarte ich von meiner Schule, daß sie politische Neutralität in ihren Räumen sicherstellt“, ergänzt sie. Sie ist überzeugt, daß die Schulleitung eine ähnliche Form der Besetzung kaum zugelassen hätte, „wenn es beispielsweise um das Thema Mißbrauch des Asylrechts gegangen wäre.“ Namentlich genannt werden möchte auch sie nicht. Um „Streß mit Lehrern und links eingestellten Schülern zu vermeiden.“  Aber auch, um eine dann befürchtete schlechtere Benotung zu vermeiden. „Das ist auch meine Sorge“, stimmt ihr Justin zu.

Der Eindruck von beiden: „Eigentlich ist es nur eine Minderheit, die diese Besetzung will. Den meisten ist es entweder gleichgültig oder sie lehnen diesen Quatsch ab. Aber genau wie wir möchte das niemand laut sagen, um Ärger mit den Ökos und den Linken zu vermeiden.“

Wer sich in der Göttinger Innenstadt näher umsieht, wird schnell feststellen, daß die „End Fossil“-Zettel in gehäufter Form rund um die Rote Straße vorzufinden sind, dem Zentrum der dortigen linksradikalen Szene, die gerade einmal mehr zu einer „Krisensitzung“ einlädt. Womöglich auch, weil die im Rahmen der bundesweiten Kampagne „May we Occupy“ erfolgenden Schul- und Universitätsbesetzungen nicht für den erhofften Zulauf für die Klimahysterie-Szene sorgen. Denn Besetzungen wie die am Göttinger Otto-Hahn-Gymnasium bleiben trotz umfangreicher Aufrufe in den sozialen Medien die Ausnahme. An der Georg-Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule im Göttinger Stadtteil Geismar konnten selbsternannte Aktivisten zwar einige Unterrichtsräume besetzen. Doch sogar die Lehrer an dieser als betont links-progressiv geltenden Einrichtung, einer der ersten Integrierten Gesamtschulen Niedersachsens, zeigten sich von der Aktion nur noch genervt.

Auch die Gründe für die dortige Besetzung klingen nach purer Verzweiflung: So habe man sich zu der Aktion entschlossen, weil sie viele Menschen nicht erreichen könnten. „Aufgrund des Leistungsdrucks in der Schule“ hätten nicht alle die Möglichkeit gehabt, zu besetzen oder politisch aktiv zu werden, beklagt die Gruppe in einer Erklärung.

Wie es auch anders geht, zeigte hingegen der Leiter der Oldenburger Cäcilienschule. Dort dauerte die Besetzung gerade einmal eine Stunde. Dann folgten die Androhung einer Anzeige gegen die „Aktivisten“ und ein Polizei-Einsatz.

„Wir sind die letzte Generation – und es kommt kein Schwein“

Bundesweit beteiligten sich nur wenige Schulen an den Besetzungen. Und an Deutschlands Universitäten floppte die „May we Occupy“-Kampagne ebenfalls. In den sozialen Medien zumeist als großer Coup abgefeiert sieht die Wirklichkeit vor Ort deutlich anders aus. Wie etwa in Hamburg.

Dort hatte eine Gruppe, die sich den Namen „Schwupps“ gegeben hat, stolz die Besetzung eines Hörsaals der Uni vermeldet und zum Plenum geladen. Doch selbst unmittelbar nach Veranstaltungsbeginn herrscht gähnende Leere im Hörsaal. In einer Ecke des Raumes hat sich ein kleiner Stuhlkreis von nicht einmal zehn Leuten gebildet. Der harte Kern der selbsternannten Aktivisten.

Der Hörsaal befindet sich direkt neben dem Café Knallhart, einem Anlaufpunkt der linksradikalen Szene. Auf den Tischen vor dem Saal befinden sich entsprechende Materialien. Unter anderem eine Einladung zum „System-Change“-Kongreß in die von Linksautonomen besetzte Rote Flora. In unmittelbarer Nähe klebt ein Zettel mit der Aufschrift „Streiken, Besetzen, Enteignen, Plündern.“

Verdeckt recherchierend kommt die JUNGE FREIHEIT draußen vor dem Gebäude mit einem der Aktivisten ins Gespräch. Der bestätigt: „Ja es läuft einfach nicht.“ Verzweifelt hebt er beide Hände in die Höhe. „Ich verstehe das nicht. Wir sind die letzte Generation, die die Klimakatastrophe noch verhindern kann – und es kommt kein Schwein.“ Ob das vielleicht daran liege, daß die Leute gerade andere Sorgen haben? Der junge Mann beginnt auf die Frage hin etwas heftiger an seiner Zigarette zu ziehen. „Deshalb wollen wir ja gerade an Unis und Schulen mobilisieren. Fridays for Future hat so viele Leute auf die Straße gebracht, weil die Schulen mitzogen. Das müssen wir jetzt wieder hinbekommen. Aber irgendwie läuft das noch nicht.“

Lesen Sie im zweiten Teil dieser Reportage: Wie linksradikale Klimagruppen derzeit versuchen, in die Schulen eingeladen zu werden – und wer ihnen dazu verhelfen soll.