© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/23 / 26. Mai 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Bauboom für den Bundestag
Paul Rosen

Der nächste Bundestag, der voraussichtlich 2025 gewählt werden wird, soll keinen neuen Größenrekord aufstellen. Stattdessen soll er nach einem von der Ampel-Koalition durchgesetzten Beschluß von 736 auf 630 Sitze verkleinert werden. Doch der Bau neuer Büros für Bundestagsabgeordnete und deren Mitarbeiter geht munter weiter; so als stehe keine Verkleinerung, sondern sogar noch eine Vergrößerung des Parlaments auf der Agenda.

Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit entsteht derzeit ein Bürogebäude für Abgeordnete und Bundestagsverwaltung mit einer Grundfläche von 23.500 Quadratmetern in der Schadowstraße, einer Nebenstraße des Boulevards Unter den Linden. Dort wurde ab 2017 ein Bürogebäude aus DDR-Zeiten abgerissen, in dem bis 1990 unter anderem ausländische Vertretungen untergebracht waren. Der jetzt im Bau befindliche und angeblich im Zeit- und Kostenrahmen liegende Bundestagsneubau soll 2025 fertiggestellt werden, also genau dann, wenn das Parlament verkleinert wird.

Neben 300 Büros sollen in der Schadowstraße eine Kantine mit Cafeteria sowie eine betriebsärztliche Praxis untergebracht werden. Eine Besonderheit ist die unterirdische Energiezentrale, die die Stromversorgung mehrerer Bundestagsgebäude sicherstellen soll und auch eine Notstromanlage enthält. Die Kosten des Neubaus insgesamt werden mit 94 Millionen Euro veranschlagt.

Schon im kommenden Jahr soll in unmittelbarer Nähe dazu ein zu DDR-Zeiten von den Vereinigten Staaten als Botschaft genutztes Gebäude in der Neustädtischen Kirchstraße für den Bundestag fertig werden. Seit 2017 laufen hier die Bauarbeiten an dem 1886 im französischen Neorenaissancestil errichteten Gebäude, das einst als Warenhaus für Armee und Marine konzipiert worden war. 

Die Arbeiten gelten als technisch schwierig, für die Renovierung und Neugestaltung einer Nutzfläche von rund 4.500 Quadratmetern werden die Kosten vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit 59 Millionen Euro angegeben. Und auch ein Skandalbauprojekt des Bundestages sieht nun – jedenfalls offiziellen Angaben zufolge – seiner Fertigstellung entgegen. Es handelt sich um den Erweiterungsbau des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses. 

Mit dem Bau war 2010 begonnen worden. Das Erweiterungsgebäude soll den Abschluß des sogenannten „Band des Bundes“ bilden, das mit dem Kanzleramt beginnt, seine Fortsetzung im Paul-Löbe-Haus und im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus endet. Durch Probleme mit dem Baugrund verzögerte sich das Projekt immer weiter, so daß das Gebäude mit einer Nutzungsfläche von 20.600 Quadratmetern bisher nicht in Betrieb genommen werden konnte. 

Die Kosten wurden zunächst mit 190 Millionen Euro angegeben, sollten im vergangenen Jahr schon bei 332 Millionen liegen und werden jetzt vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit 366 Millionen Euro angegeben.