© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 22/23 / 26. Mai 2023

Hans Peter Doskozil koalierte mit der FPÖ und will die SPÖ führen. Ein erster Sieg über die Parteilinke ist ihm gelungen.
Fast am Ziel
Robert Willacker

Auf dem Foto steht Hans Peter Doskozil im gedeckten Anzug vor einem in kräftigen Rottönen gehaltenen Gemälde und lächelt. Die Arme sind selbstbewußt verschränkt, die Gesichtszüge verschmitzt – wenngleich seine Augen etwas Bedrohliches ausstrahlen. Österreichs Nachrichtenmagazin Profil hat ihm die Titelseite gewidmet: sie zeigt einen machtbewußten Mann – der seine Zeit gekommen sieht.

Dabei wurde der Landeshauptmann (Ministerpräsident) des Burgenlands einer größeren Öffentlichkeit erst 2015 bekannt. Im Zuge der „Flüchtlingstragödie von Parndorf“, bei der 71 illegale Einwanderer in einem Kühllaster erstickten, machte der Jurist sich als zuständiger Landespolizeidirektor mit souveränem Krisenmanagement überregional einen Namen. Nur ein Jahr später folgte seine Ernennung zum Bundesverteidigungsminister und 2018 der Wechsel an die Spitze der burgenländischen SPÖ. Mit Doskozil konnten die Sozialdemokraten bei der Landtagswahl 2020 nicht nur satte acht Prozent zulegen, sondern regieren das kleinste und östlichste Bundesland Österreichs seitdem sogar mit absoluter Mehrheit.

Innerparteilich sorgte der 52jährige Steiermärker immer wieder für Aufsehen. Insbesondere ausbleibende Wahl- und Umfrageerfolge der Bundesvorsitzenden Pamela Rendi-Wagner wurden von ihm öffentlich scharf kritisiert. Doskozils parteiinterne Widersacher werfen ihm deshalb mangelnde Loyalität vor – er selbst sieht sich eher als jemanden, der es wagt, auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen.

 Die endgültige Entscheidung fällt auf dem Parteitag im Juni – zwischen Doskozil und Linksaußen Andi Babler.

Politisch steht der frühere Polizist für einen „burgenländischen Pragmatismus“, wie er es nennt. In der Praxis bedeutet das eine radikal linke Wirtschaftspolitik und ein hohes Maß an Flexibilität in Gesellschaftsfragen. Etwa positionierte sich Doskozil während der Asylkrise 2015 als Vertreter der „Willkommenskultur“, steht unkontrollierter Migration heute aber kritisch gegenüber. Gleichzeitig koalierte er in seiner ersten Legislaturperiode als Landeshauptmann mit der rechten FPÖ statt mit der „bürgerlichen“ ÖVP, wirbt mittlerweile aber für eine Wiener Version der Berliner Ampelregierung.

Dieses von Doskozil sorgfältig gepflegte Gleichgewicht aus „Law and Order“ und sozialer Empathie bescherte dem burgenländischen Anwärter auf den SPÖ-Bundesvorsitz bei einer durch den Streit zwischen ihm und Rendi-Wagner ausgelösten Mitgliederbefragung nun haarscharf den ersten Platz. Auch wenn sie nicht bindend ist, rückt der Sieg für ihn damit in greifbare Nähe. Die Entscheidung bringt jedoch erst ein Parteitag im Juni. Dort tritt er vor allem gegen Andi Babler an, den Linksaußen der SPÖ, der in der Befragung Platz zwei belegt hat. 

Für die größten Zweifel an seiner Eignung, die Sozialdemokraten zu führen, sorgt aber ausgerechnet ein Umstand, für den er selbst nichts kann: Doskozil ist krank. Nach mehreren Kehlkopfoperationen ist seine Stimme, immerhin wichtigstes Werkzeug eines Politikers, arg in Mitleidenschaft gezogen. Und so fragt Profil auf seiner Titelseite: „Sind Sie zu krank für die Nr. 1, Herr Doskozil?“ Der widerspricht: „Könnte ich kein politisches Amt ausüben, säße ich nicht hier. Das Instrument ist beeinträchtigt, der Inhalt nicht.“ Burgenländischer Pragmatismus eben.