In Zeiten der Identitätspolitik und „Wokeness“ ist der Vorwurf des Rassismus schnell bei der Hand, um politisch unkorrekte Ansichten aus dem öffentlichen Diskurs auszuschließen. Am Beispiel von drei größeren Rassenunruhen in den USA, die jeweils im Abstand einer Generation stattfanden, nimmt der Autor in seiner als Magisterarbeit angenommenen Studie die Rezeption ethnischer Auseinandersetzungen kritisch unter die Lupe und zeigt, wie das öffentliche Bewußtsein medial kontrolliert und manipuliert wird.
Im August 1965 begann in einem Ghetto von Los Angeles als Reaktion auf eine harmlose Verkehrskontrolle der „Watts-Aufruhr“, der binnen sechs Tagen zu 34 Toten, über 1.000 Verletzten, mehr als 4.000 Festnahmen und einem durch Brandstiftungen und Plünderungen verursachten Sachschaden von 40 Millionen Dollar führte. Erst der zu Hilfe gerufenen Nationalgarde gelang es schließlich, die Krawalle zu beenden. Im April 1992 fanden in South Central Los Angeles die „Rodney-King-Riots“ statt, die zur Verhängung des Ausnahmezustandes führten, auf San Francisco, Texas, Alabama, Pennsylvania oder New York übergriffen, und erst durch den Einsatz von 3.500 Soldaten, darunter 1.500 Marines, beendet werden konnten.
Der Tod des drogenabhängigen Afroamerikaners George Floyd bei seiner Festnahme im Mai 2020 löste Krawalle im ganzen Land aus, forderte 19 Tote und den Einsatz der Nationalgarde gegen die Randalierer, die einen Sachschaden von zwei Milliarden Dollar anrichteten. Millionen weißer Amerikaner, vor allem Anhänger der Demokraten, machten sich die radikalen Forderungen der extremistisch-rassistischen „Black Lives Matter“-Bewegung und das Narrativ vom immer noch benachteiligten und unterdrückten Schwarzen unkritisch zu eigen.
Stumpfs Analyse der Rezeption der Rassenunruhen in der deutschen Presse ist niederschmetternd. Nicht nur die Polizei, sondern in einem Aufwasch die ganze weiße US-Bevölkerung wurde von der FAZ über den Spiegel bis zur taz als „rassistisch“ diskriminiert, die Randalierer als „friedliche Mahnwachen“ bezeichnet und die extremistischen Parolen der gewalttätigen Demonstranten kommentarlos wiedergegeben. So übersieht die Behauptung, daß 60 Prozent der Opfer von Polizeigewalt Schwarze seien, geflissentlich, daß Afroamerikaner zwar nur 13 Prozent der US-Bevölkerung stellen, aber für weit über die Hälfte aller Tötungsdelikte im Land verantwortlich sind. Hinweise auf die generell höheren Verbrechensraten bei Schwarzen gab es nur in libertären und rechtskonservativen Publikationen. Die „Meinungsdiktatur des Regenbogens“ (Andreas Rödder) bestimmt also faktisch das öffentliche Bewußtsein.
Jonathan Stumpf: „Watts-Aufruhr“, Rodney King und „Black Lives Matter“. Rassenunruhen in den USA und die deutschsprachige Presse. Ares Verlag, Graz 2023, broschiert, 95 Seiten, 19,90 Euro