© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/23 / 19. Mai 2023

Blick in die Medien
Oldschool-Gangs auf Youtube
Gil Barkei

Sie hießen „36 Boys“, „Fighters“, „Araba Boys“ oder „Black Panthers“. Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger gründeten sich in Berlin von Ausländern dominierte Jugendgangs, die einzelne Straßen und Plätze in berüchtigten Kiezen bestimmten. Von Politik und Mainstreammedien oft verharmlost oder gleich ganz totgeschwiegen, bieten damalige lokale Low-Budget-Produktionen oder einige wenige Presseerzeugnisse, die auf Youtube wieder hochgespült werden, einen Einblick in jene Zeit, in der Behörden und Staat es versäumt haben, hart durchzugreifen – mit negativen Konsequenzen bis heute.

Seit jeher mit der Sprayer-Szene eng verbunden, bietet der Kanal „Berlin Graffiti“ die Dokumentation „Frust und Gewalt: Straßengangs in Westberlin“. Schon damals ein entschuldigendes Narrativ, von einem türkischen Bandenmitglied vorgetragen und von SpiegelTV bereitwillig eingebettet: „Alle Polizisten sind Nazis, und die behandeln die Ausländer wie den letzten Dreck.“

So manch politisches Versagen erscheint durch die ausgegrabenen TV-Beiträge in einem anderen Licht.

Auch der ausgegrabene TV-Beitrag „Unter deutschen Dächern“ ist auf Youtube wieder abrufbar und zeigt den kriminellen Alltag in Kreuzberg und anderen Problembezirken. Beliebtestes Ziel der bekennenden Schläger: vermeintliche Nazis und rechte Parteien wie zu der Zeit die Republikaner. Kommt einem irgendwie auch gut 30 Jahre später sehr bekannt vor – genauso wie die Legende von der den Minderheiten keine Chancen gebenden Gesellschaft. 

So ist es nicht verwunderlich, daß ein Kanal mit Antifa-Berlin-Symbol im Profil die Doku „Kämpfen lernste auf der Straße“ von 1991 anbietet – samt klarer Ansage: „Wenn Freunde abgeschoben werden, ist die Hölle los auf den Straßen.“ So manch politisches Versagen in den vergangenen Jahren erscheint angesichts der Äußerungen und des vor Jahrzehnten präsentierten Drohpotentials in einem anderen Licht. 

Die Produktion „Ist alles kacke hier“ aus der Berliner Gropiusstadt zeigt auch deutsche Gangs, doch diese – wen wundert‘s – landen trotz der größtenteils gleichen Klamotten und Vokuhila-Frisen wie ihre südländischen Gegenüber sofort im Dunstkreis rechtsradikaler Kreise. Soviel hat sich über die Jahre dann doch nicht verändert.