Die Sonne dürfte für die Menschen seit je mehr als ein Himmelskörper gewesen sein. Sie spendet allen Licht und Wärme, ohne sie wäre Leben auf unserem Planeten nicht möglich. Zahllose Religionen haben sie als Gottheit oder deren Sinnbild verehrt. Weshalb die Ausstellung „Sonne. Die Quelle des Lichts in der Kunst“ des Potsdamer Museums Barberini auch mit einigen Reminiszenzen an die solaren Kulte der Vergangenheit eröffnet.
Man geht zurück bis in das alte Ägypten, konzentriert sich aber in erster Linie auf die griechische und römische Antike. Die religiösen Ideen des Ostens und Westens durchdrangen sich gegenseitig seit der Zeit des Hellenismus. Was einerseits der Idee eines Sonnenkönigtums Vorschub leistete, dessen Wirkung von den Imperatoren über Ludwig XIV. bis zu Napoleon dokumentiert wird, andererseits zur Veränderung der auch in Europa bekannten Varianten der Sonnenreligion führte. Gezeigt wird das in der Schau mit Hilfe eines Altarbildes, das dem aus Persien stammenden Lichtgott Mithras gewidmet war, der den Urstier tötet und damit das Schöpfungswerk in Gang setzt, während im Hintergrund Sol Invictus – die „Unbesiegte Sonne“ – zu sehen ist.
An die Stelle der älteren Aura trat eine neue Faszination
Wie genau die Beziehung zwischen Mithras und Sol verstanden wurde, als die Mithras-Religion ihren Siegeszug antrat, wissen wir nicht, aber unzweifelhaft spielte sie in der Spätzeit des Römischen Reiches eine entscheidende Rolle. Das Christentum hat sich gegen diesen Konkurrenten letztlich durchgesetzt, aber auch bestimmte Darstellungsformen aus seinem Repertoire übernommen. Die Sonnenmetaphorik des Christentums ist jedenfalls kaum aus dem Alten Testament abzuleiten, dem sie naturgemäß fremd sein mußte. Anders die Bildwelt der Kirche, die den Erlöser mit einem Strahlenkranz zeigen oder die Sonne als Gottessymbol auffassen konnte.
Allerdings gab es für diese Adaption Grenzen, und erst die Renaissance hat sich wieder ohne Umweg den älteren Motiven zugewandt, vor allem durch das Spiel mit Konzepten der antiken Mythologie. Die Potsdamer Ausstellung macht das mit einer Reihe von Werken deutlich, die den Flug des Ikarus beziehungsweise die Himmelsfahrt des Phaeton darstellen. Die Bilder konnten zwar noch unter dem Gesichtspunkt einer theologischen Kritik menschlicher Hybris verstanden werden, emanzipierten sich aber immer stärker von solchen Bezugnahmen. Ein Prozeß, der am Anfang der Neuzeit dadurch gefördert wurde, daß die modernen Naturwissenschaften begannen, sich der Sonne mit ihren Methoden zuzuwenden.
Das führte relativ rasch zum Verlust ihrer älteren Aura, aber an deren Stelle trat eine neue Faszination. Erkennbar wird das an einem kaum DIN-A4-Blatt großen Bild von Adam Elsheimer, das zwischen 1608 und 1610 entstand und den Titel „Aurora“ trägt. Es soll sich um die älteste bekannte Darstellung handeln, für die ein Künstler versucht hat, die Lichtwirkung des Sonnenaufgangs exakt festzuhalten.
Diesem Bemühen haben in der Folge viele Maler nachgeeifert. Bekannt sind die Gemälde eines William Turner oder die romantische Auffassung eines Caspar David Friedrich. Aber auch für die künstlerische Avantgarde spielte die Sonne als Motiv eine entscheidende Rolle. In Potsdam wird das mit Hilfe von Werken impressionistischer wie expressionistischer Meister illustriert, unter denen es der Entwurf Edvard Munchs für ein großformatiges Wandbild in der Aula der Osloer Universität verdient, besonders hervorgehoben zu werden.
Es ist heute wohl unvermeidbar, daß der Schlußteil einer Ausstellung wie der Potsdamer irgendwelchen modischen Bemühungen vorbehalten bleibt. Sicher wäre es aber sinnvoller gewesen, jenen bis dato letzten Manifestationen eines „Sonnenkultes“ Aufmerksamkeit zu widmen, der nicht nur die Bilderwelten der großen totalitären Systeme beeinflußte, sondern auch die aller anderen fortschrittsgläubigen Weltanschauungen erfaßte, vom amerikanischen New Deal bis zur französischen Volksfront.
Die Ausstellung „Sonne. Quelle des Lichts in der Kunst“ ist bis zum 11. Juni im Potsdamer Museum Barberini, Alter Markt, Humboldtstraße 5–6, täglich außer dienstags von 10 bis 19 Uhr zu sehen.
Der ausgezeichnete Katalog mit 288 Seiten und 219 farbigen Abbildungen kostet im Museum 34 Euro, im Buchhandel 42 Euro.