© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/23 / 19. Mai 2023

Für grüne Fliegerei
Luftfahrtindustrie: Deutsche Ingenieurskunst soll die Käufer überzeugen / Hat die Neuauflage der Dornier 328 Chancen?
Paul Leonhard

Leipzig war schon einmal ein bedeutender Standort der Flugzeugproduktion. Im 1934 gegründeten Erla-Maschinenwerk wurden bis April 1945 ein Drittel der über 33.000 Jagdflugzeuge des Typs Messerschmidt Bf 109 gebaut. Die sächsische Großstadt war neben Regensburg und Wien der größte Hersteller des deutschen Standardjägers. Und bevor die auf dem 1927 eröffneten Flughafen Halle/Leipzig sich ansiedelnden Siebel-Flugzeugwerke hier Kampfflugzeuge wie die Junkers Ju 88 – allein bis März 1943 1.000 Stück – und von Februar 1944 bis zur Eroberung der Stadt durch die Amerikaner 354 Ju 188 endmontierten, wurde in Schkeuditz das schnittige fünfsitzige Reiseflugzeug Fh 104 und später das Reiseflugzeug Si 204 gebaut.

Reiseverkehrsflugzeuge mit bis zu 43 Sitzen für die Kurzstrecke, modern und sparsam, sollen künftig wieder ein Markenzeichen Leipzigs werden. Dafür investiert die Deutsche Aircraft (DA), eine Tochter des US-Rüstungskonzerns Sierra Nevada Corporation, mindestens 80 Millionen Euro am Standort und bekommt 125 Millionen Euro Fördermittel vom Bund. Im Mai war Baubeginn für die Flugzeugendmontagehalle am Flughafen Leipzig/Halle, in der künftig 300 Mitarbeiter futuristische Propellermaschinen vom Typ D328eco bauen und ab Ende 2026 ausliefern sollen. Dies ist eine Weiterentwicklung der bis 2005 gebauten Dornier 328 des insolventen Flugzeugbauers Fairchild Dornier.

Die Zertifizierung der D328eco als Passagierflugzeug ist für 2026 geplant. Die Entwicklungsabteilung mit derzeit 150 Mitarbeitern wird aber im oberbayrischen Oberpfaffenhofen verbleiben. Wer in Deutschland den Mut hat, Flugzeuge für die verpönte, aber von Politikern wie Industriemanagern gern genutzte, Kurzstrecke bauen zu wollen, muß gewichtige Argumente haben. Auf der DA-Internetseite heißt es: „Als einzige bestehende Plattform, die in der Lage ist, die Effizienz- und Leistungsanforderungen an ein modernes, umweltfreundlicheres Flugzeug zu erfüllen, beginnen wir den Übergang in eine grünere Zukunft.“

„Wir haben die neue Marke Deutsche Aircraft geschaffen, die alles umschreibt, was wir sein wollen: deutsche Ingenieurskunst und deutsche Qualität“, sagt DA-Chef Dave Jackson selbstbewußt und verschweigt, daß die Dornier-Weiterentwicklung ursprünglich in der Türkei gebaut werden sollte. Als deutscher Flugzeugbauer, der „auf dem stolzen Erbe von Dornier und Deutschlands Ruf für technisches Design, Qualität und Innovation basiert“, werde man „bahnbrechende Technologien entwickeln, die es uns ermöglichen, innerhalb der nächsten 15 Jahre den Weg zu emissionsfreien Flügen zu ebnen, weit vor den internationalen Richtlinien für 2050.“

Da die D328eco auch als Träger für einen Elektroantrieb in Frage kommt, hat die Bundesregierung dem Vorhaben einen Förderkredit bewilligt. Wann aller dingsdas erste Elektroflugzeug zu Demonstrationsflügen starten könnte, ist ungewiß. „Wir halten aber einen Zeitrahmen von 15 Jahren für realistisch“, erklärte DA-Programmleiter Nico Neumann im MDR. Noch im Herbst 2021 gab es Berichte, daß die DA zusätzlich plane, gemeinsam mit dem Start-up H2Fly, eine D328 zu entwickeln, die mit Wasserstoff-Brennstoffzellen angetrieben wird. Die US-Firma ZeroAvia glaubt immer noch daran, auch Airbus und Boeing forschen weiter daran. Neumann ist aber skeptisch: „Wenn ich Wasserstoff verbrenne, dann habe ich immer noch das Thema Emission in der Luft. Eine Brennstoffzelle ist am Ende eben auch ein Elektroflieger. Die Brennstoffzelle würde in dem Fall nur die Batterie ersetzen. Aber ich bin auch nicht der Meinung, daß die Batterie die Energieversorgung der Zukunft für ein Flugzeug dieser Klasse sein wird.“

Die neue Turbopropmaschine werde mit dem Avioniksystem Garmin 5000 ausgestattet, berichtet Aero-Telegraph. Auch biete die Maschine noch mehr Platz für Gepäck, da potentielle Käufer die Maschine als Zubringerflugzeug für Langstrecken einsetzen möchten. Auch sind die Propeller jetzt mit sieben statt sechs Blättern ausgestattet, „um möglichst viel aus dem Antrieb rauszuholen“, so ein Unternehmenssprecher. Das neue Propellerdesign erzeuge weniger Vibrationen und Lärm. Neben dem neuen Propeller sollen PW127S-Motoren von Pratt & Whitney Canada für einen Verbrauch von lediglich 2,6 Liter Kerosin pro Passagier und 100 Kilometer sorgen. Der Betrieb mit dem bei vielen Umweltschützern umstrittenen Biokerosin soll problemlos möglich sein. Auch soll die Maschine dank moderner Avionik von nur einem Piloten geflogen werden können – wenn es künftig gesetzlich möglich ist.

Löscheinsätze, Küstenwache, Inselflüge und Krankentransporte

Obwohl Programmleiter Neumann „zu irgendwelchen Erstkunden oder Absichtserklärungen noch nichts sagen kann und darf“, hatte die DA angekündigt, ihre D328 und D328eco auch als Löschflugzeuge vermarkten zu wollen. „Die für die Brandbekämpfung konfigurierte D328eco ist ein ideales Mehrzweckflugzeug, das sowohl als Wasserbomber als auch als vollwertiges Passagierflugzeug eingesetzt werden kann“, so das Unternehmen. Partner werde dabei die Acia Aero Leasing sein, ein auf die Vermietung von Regionalfliegern spezialisiertes Unternehmen.

Spezialmissionen wie Löscheinsätze, Grenzschutz, Küstenwache oder Krankentransporte, bei denen schon die D328 sehr erfolgreich war, sind aber für DA-Chef Jackson nur ein Marktsegment für die neue D328eco. Viel interessanter sind für ihn die noch im Einsatz befindlichen Regionalverkehrsflugzeuge Saab 340 oder Dash 8, die oft mehr als 25 Jahre alt sind und bald ausgemustert werden dürften. Hier geht es um ein Potenzial von rund 4.000 Flugzeugen. Dazu kommen Staaten wie China, Indien und Indonesien, in denen die D328eco gut geeignet sei, kleinere Städte oder Inseln anzufliegen. Und im Westen werde man auch „auf ökologische Flugzeuge setzen, weil die Vorschriften in bezug auf Emissionen verschärft werden“.

Hauptkonkurrent für die D328eco wird aus Sicht Jacksons die französich-italienische ATR 42, aber „unser Flieger fliegt schneller und höher und ist daher weniger wetteranfällig“. Und wer noch immer etwas gegen Kurzstreckenflieger hat, dem hält das Unternehmen entgegen: „Für unsere Zukunft und das Überleben unseres Planeten ist es von entscheidender Bedeutung, daß wir angesichts der Klimakrise unsere Zeit und Ressourcen in die Suche nach alternativen Luftfahrtlösungen investieren.“

 www.deutscheaircraft.com

 www.zeroavia.com