© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/23 / 19. Mai 2023

Die Konservativen setzen auf die zweite Runde
Griechenland: Versagen bei Eisenbahnunglück setzt Regierungspartei unter Druck / Vier rechte Parteien vom Urnengang ausgeschlossen
Panayotis H. Doumas

Was für eine Überraschung! Erstmals seit acht Jahren wurde im Vorfeld der Wahlen am 21. Mai im öffentlichen griechischen Fernsehen (ERT) wieder eine Fernsehdebatte der politischen Führer veranstaltet. Der Grund dafür: Debatten sind keine feste Einrichtung im Land und hängen daher jedesmal von der Stimmung und dem Konsens der Parteien ab.

Entsprechend groß war die Spannung, als die derzeitigen Parlamentsparteien, die Neue Demokratie (ND, Mitte-Rechts), Syriza (Radikale Linke), Kinal-Pasok (Sozialdemokraten), die Kommunistische Partei Griechenlands, MeRA25 (sozialistische Euroskeptiker) und die populäre patriotische Rechte Hellenic Solution (EL), auftraten. 

Hitzig wurde es vor allem bei der Aufarbeitung des Abhörskandals um den Pasok-Vorsitzenden Nikos Androulakis. Zum einen gab es das Eingeständnis von Premierminister Kyriakos Mitsotakis, daß Androulakis nicht „ins Visier“ genommen worden sei, weil er „eine Gefahr für die Demokratie“ dargestellt habe. Andererseits sorgte Androulakis’ Aussage, daß es „sein Ziel“ sei, „diejenigen ins Gefängnis zu bringen, die den Überwachungsstaat“ gegen ihn und andere Bürger „eingerichtet“ hätten. Er vermied es jedoch auf Nachfrage, den Ministerpräsidenten zu den Verantwortlichen für die Überwachung durch den Inlandsgeheimdienst zu zählen.

„Wir kehren nicht um, wir gehen vorwärts, fest und kühn“ 

Den Meinungsumfragen zufolge kann die Regierungspartei ND (36 Prozent) ohne einen Koalitionspartner nicht regieren. Deshalb liebäugeln die Liberal-Konservativen mit einer Koalition mit der Kinal-Pasok (zehn Prozent). Sollte dies jedoch nicht gelingen, wird es eine zweite Wahl mit einem anderen Wahlsystem (erweitertes Verhältniswahlrecht) geben, bei dem die erste Partei mit zusätzlichen Sitzen belohnt wird. Je höher der Prozentsatz der politischen Parteien außerhalb des Parlaments ist, desto mehr profitiert die erste Partei.

„Wir kehren nicht um, wir gehen vorwärts, fest und kühn“ lautet das Motto der ND, die Erfolge in der Wirtschaftspolitik, den Abbau der Bürokratie durch die Digitalisierung, die energische Bewachung der Grenzen sowie die Stärkung der Verteidigung des Landes, sowohl gegenüber der Türkei als auch mit Abschluß des Verteidigungsabkommens mit Frankreich und den USA preist. Die Opposition verweist dagegen auf die zunehmende Armut. Speerspitze der Oppositionsrhetorik ist jedoch das Eisenbahnunglück in Tempe in Nordgriechenland, bei dem 57 Menschen aufgrund tragischer Versäumnisse des Verkehrsministers starben. Hier brach das Narrativ der effektiven Regierungsführung von Kyriakos Mitsotakis zusammen, was ihn um drei Prozentpunkte zurückwarf und die Möglichkeit der Bildung einer eigenständigen Regierung einschränkte.

Mit knapp 29 Prozent liegt die vom ehemaligen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras geführte sozialistische Syriza auf Platz zwei. Mit sieben Prozent belegen die Kommunisten den vierten Platz. Es folgen die vom ehemaligen Finanzminister Yanis Varoufakis geführte Partei MeRA25 sowie die von Kyriakos Velopoulos geführte EL. Die Nationale Partei/Ellines des inhaftierten ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Goldenen Morgenröte, Ilias Kasidiaris, lag in den Umfragen zwar über 4,5 Prozent, doch wurde ihr nun gerichtlich untersagt anzutreten. Parallel dazu schloß der Oberste Gerichtshof drei weitere rechtsgerichtete Parteien von den Wahlen aus. Dabei handelt es sich um die Patriotische Union des Wirtschaftsmagnaten Prodromos Emfietzoglou und des Abgeordneten Konstantinos Bogdanos, die aufgrund von Problemen der Namengebung abgestraft wurde, die Partei Patria und die Christdemokratischen Partei.