Wer heute den Blick in das aufgehende Firmament der KI-Anwendungen wirft, wird überwältigt von den schier unendlichen Möglichkeiten. Und wöchentlich entstehen neue Galaxien mit Werkzeugen, die uns die Hilfe Künstlicher Intelligenzen (KI) anbieten. Der Morgenstern unter ihnen ist sicher das Sprachmodell ChatGPT. Gefüttert mit Unmengen an Daten von Webseiten und Büchern und trainiert mit menschlichen Gesprächspartnern, bietet das lernfähige Programm auf jede Frage eine klare Antwort. Nicht immer ist diese allerdings korrekt oder wahr.
Wie bei der Entstehung des Weltalls erwarten viele Programmierer, Intelligenzforscher und Philosophen eine Singularität in der Entwicklung der Künstlichen Intelligenzen. Einen unumkehrbaren Punkt, nachdem neue Regeln gelten und die Welt schlicht mehr die gleiche sein wird. Die einen blicken euphorisch auf die entstehenden Möglichkeiten, den anderen bereiten die unüberschaubaren Umwälzungen große Angst.
Einige, wie der Microsoft-Gründer und Milliardär Bill Gates, meinen, der ganz große Durchbruch sei bereits erfolgt. Sein Anfangserfolg war das für jedermann zugängliche Betriebssystem Windows, das Rechner für den Massenmarkt tauglich machte. Ähnlich einschneidende Veränderungen boten der Start des Internets oder die Einführung des Smartphones. KIs wie ChatGPT bieten nun jedem Nutzer die Möglichkeit, innerhalb von Minuten und ohne Vorwissen riesige Datenmengen zu durchforsten und für sich nutzbar zu machen. Alles was man braucht, ist die Fähigkeit, zu schreiben oder zu sprechen.
Politik und Firmen kämpfen gegen Deepfakes und Vertrauensverlust
Fasse den Inhalt von Fontanes „Der Stechlin“ auf zwei A4-Seiten zusammen. „Der Stechlin“, ein tiefgründiger Roman, der das letzte Lebensjahr des märkischen Adligen Dubslav von Stechlin schildert und die gesellschaftlichen Veränderungen seiner Zeit thematisiert. ...“, textet ChatGPT innerhalb von Sekunden los. Stelle ein profitorientiertes Anlageportfolio mit indischen Aktien zusammen: „Investieren Sie in die HDFC Bank, die von der wachsenden Wirtschaft und steigenden Kreditnachfrage profitiert. …“ Setze ein anwaltliches Schreiben auf, das Schadensersatz für einen Autounfall fordert. „Sehr geehrte Damen und Herren …“ Einzig die Erlaubnis in Deutschland anwaltlich tätig zu sein, fehlt der Maschine noch. Wird mein Kind blaue Augen haben? Theoretisch wäre die Antwort kein Problem, wenn der Maschine mein Erbgut vorläge.
Man kann ChatGPT auch auffordern, zu programmieren, Texte zu übersetzen, komplexe mathematische Berechnungen auszuführen. Die Möglichkeiten sind nur durch drei Grenzen eingeschränkt: die Phantasie des Menschen, die Tatsache, daß das Programm noch keine Hände hat und Befehle nicht in der physischen Welt ausführen kann, sowie die Schranken, die die jeweiligen Betreiber eingebaut haben.
Konnte man vor wenigen Wochen von der KI Dall-E noch gestellte Bilder verlangen, die beispielsweise Fotos zeigen, wie Bundesinnenministerin Nancy Faeser einen grauen Wolf reitet, ist das heute dank der Selbstbeschränkung des Anbieters OpenAI nicht mehr möglich. Politische Inhalte sind ebenso verboten wie Gewalt, Sex, illegale Aktivitäten und weiteres.
Große Hoffnungen setzen auch Mediziner in die selbstlernenden Algorithmen. Heute schon hilft künstliche Intelligenz bei der Früherkennung einer Blutvergiftung. Künftig hoffen Ärzte, auch Krebserkrankungen rascher diagnostizieren und Therapien vereinfachen zu können. Die technischen Helfer könnten den klinischen Status von Patienten überwachen oder die Medikamentendosierung auf deren Bedürfnisse so präzise anpassen, wie kein Arzt die Zeit und das Wissen hätte. Doch was ist, wenn die Maschine verständliche und klug anmutende Antworten gibt, die aber falsch sind? Momentan ist das ein großes Problem. Die Antworten der KI sind nicht leicht erklärbar oder nachprüfbar. Hierin ähnelt die künstliche der menschlichen Intelligenz. Fragt man einen Experten nach einer
Einschätzung, erhält man eine begründete Antwort, doch sie detailliert zu überprüfen kostet extrem viel Zeit.
Neben großen Spielern wie dem Milliardär Elon Musk mit TruthGTP will eine deutsche Firma namens Aleph Alpha das Problem der Nachvollziehbarkeit der KI-Antworten technisch lösen. Anfang 2023 stellten Forscher in Zusammenarbeit mit der TU Darmstadt, dem Forschungszentrum
Hessian.AI und dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) AtMan vor, eine Methode, die viele heutige Sprachmodelle erklärbar machen kann. Dennoch sehen drei Viertel der Unternehmen in den USA laut einer Umfrage von Forbes KI als Schlüssel zu neuen Geschäftsfeldern. Neben der Medizin, dem Finanzmarkt, vielen Verwaltungs- und Managementprozessen, der Landesverteidigung oder dem Automarkt sowie dem Journalismus, krempelt die KI auch die Filmindustrie um. Künstler erschaffen ihre eigene Version vom „Herrn der Ringe“, tauschen Schauspielergesichter und -stimmen des Films aus oder versetzen die Kulisse in andere klimatische Regionen, samt Vegetation und Geographie – innerhalb von Minuten oder Stunden.
Technologie, die auch schon Berlins ehemalige Bürgermeisterin Franziska Giffey in die Irre geführt hat. 15 Minuten lang glaubte sie im Sommer vergangenen Jahres mit dem Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko ein Videotelefonat zu führen. KI, die darauf trainiert ist, Stimmen und Gesichter zu ersetzen, hatte russische Komiker die Bürgermeisterin an der Nase herumführen lassen. Erste kurze Spielfilme mit den Gesichtern und Stimmen aktueller Regierungschefs wie Joe Biden oder Wladimir Putin kursieren im Netz. Die Qualität läßt teils noch zu wünschen übrig. Doch die führenden Firmen der Branche wie OpenAI, Microsoft, Google und Facebook arbeiten schon konstant daran, sich selbst Regeln zu unterwerfen, die Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Internetanwendungen aufrechterhalten.
Deepfakes, also mit künstlicher Intelligenz erzeugte, täuschend echt wirkende, aber manipulierte Bild-, Audio- oder auch Videoaufnahmen, werden einen erheblichen Einfluß auf Gesellschaft und Politik entwickeln. Sie können dazu verwendet werden, politische Unwahrheiten wie einen Kriegsausbruch zu suggerieren, den persönlichen Ruf von Amtsträgern schädigen oder das Vertrauen in die Medien weiter untergraben. Mit Deepfakes können in Echtzeit gefälschte Medieninhalte erstellt werden, die dazu dienen können, die öffentliche Meinung zu manipulieren, Desinformationen zu verbreiten – oder auch Wahlen zu stören respektive zu beeinflussen.
Viele Forscher skeptisch, ob es gelingt, tatsächliche KI zu schaffen
All das sind große Probleme, die noch von einem weiteren überschattet werden. Könnte eine künstliche Intelligenz bald in der Lage sein, die Menschheit zu überflügeln oder wie der deutsche Mathematiker Jobst Landgrebe und der britische Philosoph Barry Smith schreiben, die Welt zu beherrschen? Unter dem vielsagenden und starken Titel „Why Machines Will Never Rule the World“ (Warum Maschinen niemals die Welt beherrschen werden) argumentieren die Forscher, daß es aus logischen Gründen so weit nicht kommen kann. Sie versuchen die Angst vor der allmächtigen KI zu bändigen.
Bei allem medialen Aufsehen und der schier unendlichen Phantasie um das Thema Künstliche Intelligenz seien die Menschen nicht einmal fähig, nur nachzubilden, wie ein intelligentes System arbeitet. Sprich: Wir können nicht mathematisch modellieren, was in einem menschlichen Hirn passiert. Wie wollen wir da eine ebenbürtige KI erschaffen? Letzteres sei schließlich ein notwendiger Schritt für ersteres, beanstanden die Forscher, die seit Jahrzehnten in Philosophie, Mathematik, Neurowissenschaften und Bioinformatik arbeiten. Es werde keine „Allgemeine künstliche Intelligenz“ geben, legen sie sich fest.
Die bisher geschaffenen Algorithmen seien für bestimmte beschränkte Zwecke trainierte Programme, die allenfalls eine „schwache“ oder auch „spezielle KI“ darstellten. Eine „starke“ oder „allgemeine KI“ wäre hingegen fähig, sich auf verschiedenste Problemlagen einzustellen, ohne explizit dafür angelernt zu werden. Bisher kann keines der Programme über seinen Tellerrand hinaus.
Die beiden formulieren, was eine kritische Gruppe der KI-Experten meint, daß obwohl der Bereich von Anwendungen der künstlichen Intelligenz riesig ist, er dennoch aufgeblasen wird. Die Herrschaft wird uns so schnell nicht entgleiten.
Der US-Unternehmer und Visionär Elon Musk wiederum arbeitet bereits daran, den Menschen noch direkteren Zugang zu den programmierten Helfern zu verschaffen. Mit der Firma NeuraLink will er Maschinen mit Gedanken steuerbar machen. Erste Schritte in der Richtung sind bereits der University of Texas gelungen, die einer KI mit erstaunlicher Genauigkeit beibringen konnte, Gedanken zu lesen. Aus Hirnaufnahmen in Magnetresonanztomographen ließen sich mit 82prozentiger Sicherheit in dem Moment vom Menschen gelesene Worte erkennen.
Künstliche Intelligenz
Künstliche Intelligenz (KI) ist der Versuch, menschliches Lernen und Denken auf den Computer und andere Maschinen zu übertragen und ihnen damit „Intelligenz“ zu verleihen. Es sind Systeme, die repetitive und zeitaufwendige Aufgaben übernehmen können. Sie werden Effizienz und Produktivität steigern. Menschliche Arbeitskräfte können sich somit auf komplexere und kreativere Tätigkeiten konzentrieren, die ein höheres Maß an menschlichem Einfühlungsvermögen und Urteilsvermögen erfordern. Klempner, Mechaniker, Krankenpfleger und andere Berufe, die händisch komplexe und individuelle Aufgaben ausführen, werden in den kommenden Jahren noch nicht zu ersetzen sein. Eine kommende Herausforderung wird die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine sein.