In russischer Botschaft: Kritik an Chrupalla-Visite
Berlin. Die Teilnahme des AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzenden Tino Chrupalla an einer Veranstaltung zum Jahrestag des „Sieges der Sowjetunion über Nazi-Deutschland“ in der russischen Botschaft in Berlin vergangene Woche hat für teilweise heftige Kritik unter Abgeordneten seiner Fraktion gesorgt. In einer internen Chatgruppe warfen sie dem Fraktionschef mangelndes historisches Bewußtsein und eine Verharmlosung millionenfacher systematischer Kriegsverbrechen der Sowjets vor. Chrupalla, der sich bereits im Februar wegen einer Kranzniederlegung mit dem russischen Botschafter interner Kritik stellen mußte, rechtfertigte sein Treffen damit, er habe nicht den Sieg der Sowjets gefeiert, sondern es sei ihm um Aussöhnung und Frieden gegangen. Kollegen warfen ihm dennoch vor, er habe sich vor den Propaganda-Karren der Russen spannen lassen. Am Empfang in der Botschaft hatten neben Chrupalla, dem AfD-Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland sowie mindestens einem Abgeordneten-Mitarbeiter unter anderem auch der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), der Linken-Politiker Klaus Ernst, der wegen der Todesschüsse an der Mauer verurteilte ehemalige DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz sowie der Verleger der Berliner Zeitung und frühere Stasi-Spitzel Holger Friedrich teilgenommen. (vo)
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Bundestag: Graichen muß im Ausschuß aussagen
BERLIN. Der wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft in die Kritik geratene Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Patrick Graichen, hat in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Bundestags erneut Fehler eingeräumt. Er hätte sich im April aus der Findungskommission zur Neubesetzung des Chefpostens in der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zurückziehen müssen. Auf den hatte sich Graichens Trauzeuge, Michael Schäfer, beworben. Das bundeseigene Unternehmen soll die Energiewende der Bundesregierung umsetzen. Er habe den Großteil der Bewerber bereits zuvor gekannt, erklärte Graichen laut dem Protokoll der nichtöffentlichen Sitzung, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt. Mit vier der sechs Bewerber sei er bei einem Duzverhältnis gewesen, habe sie während des Vorstellungsgespräches allerdings gesiezt. Über den bestehenden Interessenkonflikt habe er niemanden – auch nicht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) – informiert, da ihm nicht klar gewesen sei, daß Schäfer „in diesem Kontext jemand“ sei, den er „sozusagen zu gut kenne“. Erst als die ersten Presseberichte erschienen seien, in denen Schäfer als sein Trauzeige geoutet wurde, sei ihm klargeworden: „Okay, das wird anders wahrgenommen.“ Am Montag gab die Staatsanwaltschaft bekannt, daß sie im Falle der sogenannten Trauzeugen-Affäre keine Anklage erheben wird. Zwar seien gegen Graichen mehrere Strafanzeigen gestellt worden, es habe sich aber kein „Anfangsverdacht für eine strafbare Handlung ergeben“. Das Compliance-Referat des Bundestags prüft nun, ob ein arbeitsrechtlicher Verstoß vorliegt. Kritiker werfen Graichen vor, er habe mit dem Siezen seiner Duz-Freunde während der Bewerbungsgespräche das enge persönliche Verhältnis verschleiert und so andere bewußt getäuscht. In der Anhörung gab Graichen außerdem zu, sich in der Findungskommission ausdrücklich für die Besetzung der Dena-Spitze mit Schäfer ausgesprochen zu haben. Fachleute hatten kritisiert, der frühere Werbetexter habe keine ausreichende Erfahrung und Qualifikation für die Leitung eines so großen bundeseigenen Unternehmens. (lb)