© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

Exotik ganz nah
Worauf Hobbygärtner zwischen Hanfpalme und Bambus achten müssen
Carsten Peters

Lust auf Exotik, aber nicht auf Warteschlangen am Flughafen, nervige Touristen oder „Montezumas Rache“? Hier die Lösung: Wer nicht gerade in kalten Hochlagen wohnt, der kann auch im eigenen Garten Urlaub unter Palmen erleben. Mit permanenter Happy Hour!

Die chinesische Hanfpalme Trachycarpus fortunei gedeiht mittlerweile selbst in den Betonwüsten der Innenstädte. Etwas windgeschützt und vor einer sonnigen Hauswand angepflanzt, kann sie nach knapp zehn Jahren schon eine Höhe von vier Metern erreichen. Dann erübrigt sich auch der Sonnenschirm. Etwas mehr Aufwand benötigt die Faserbanane Musa basjoo. Dafür kreiert das, bei uns bis zu fünf Meter hoch aufragende, manchmal winzige Früchte tragende, Gewächs auch authentisches Haziendero-Feeling! Der Exot muß im Winter auf rund einen Meter abgeschnitten, gemulcht und luftdurchlässig eingepackt werden: entweder mit Stroh oder trockenem Laub. Noch eine Plane drüber. Fertig. Nach dem letzten Frost baut man den Winterschutz einfach wieder ab, düngt und wartet auf das Wiederaufleben seiner Plantage. Da guckt er neidisch, der Nachbar – und protzt sicher nie wieder mit Urlaub in der DomRep.

Der „kleine Süden“ hinter dem eigenen Haus

Wer’s noch dramatischer will und eben diesen Nachbarn nicht mehr sehen möchte, der pflege den grünen Riesenbambus Phyllostachus vivax. Allerdings bitte immer mit professioneller Rhizomsperre. Diese sollte rund einen Meter tief in den Boden eingelassen und gut abgeschlossen sein, sonst gestaltet man den Garten der Anrainer nämlich automatisch mit. Der Ausbreitungsdrang von Bambusausläufern ist legendär. Regelungen zum Mindestabstand zum nächsten Grundstück kann man bei der Gemeinde erfragen. Die eßbare Nutzpflanze erreicht bei guter Stickstoff-Düngung und hochwertigem Boden auch bei uns schwindelerregende Höhen von 12 Metern; die Stangen können die Dicke von Getränkedosen übertreffen. Minus 15 Grad sind für den zähen Asiaten übrigens kein Problem. 

Ganz besonders apart wirkt quietschgelber Bambus Phyllostachus vivax aureocaulis in Kombination mit Kirschbäumen, Fuyu-Persimonen (Diospyros kaki) und Kamelien. Da kommt bei der alljährlichen Kirschblüte hemmungsloser Japan-Frohsinn auf. Nun heißt’s natürlich – kulturell inklusiv – „Picknick-Decke raus und Sake-Flasche geköpft“ (ein Nippon-Bier tut’s jedoch auch) und ganz stilecht lautstark den Lenz begrüßen. 

Wer es bis jetzt noch nicht geschafft hat, Anwohner nachhaltig gegen sich aufzubringen, der greife beherzt zum letzten Mittel: dem Australiengarten! Dicksonia antarctica, der langsam wachsende, tasmanische Baumfarn, vereinigt mit verschiedenen Sorten des Neuseeland-Flachses Phormium tenax, Ziergräsern wie pazifischem, roten Carex und einem winterfesten Eukalyptus, wie zum Beispiel Eucalyptus gunii azura, schafft genuines Outback-Ambiente. Noch eine schummrige Außenbeleuchtung dazu, dumpfe Didgeridoo-Klänge in Originallautstärke und mitfühlende Anlieger sowie ein Besuch der Ordnungs- beziehungsweise Gesundheitsbehörden sind einem so gut wie sicher. Während der durstige Eukalyptus nach zwei Jahren keine Mühe mehr bereitet, muß der Hobbygärtner sich um alle anderen Ozeanier in der kalten Jahreszeit gut kümmern. Sie wollen starken Winterschutz in Form von Mulch, Stroh, Vlies und Styropor. Ab minus vier Grad sterben ungeschützte Pflanzen ab.

Alle genannten Arten ziehen massiv Vögel und manche in der Blütezeit selbst Bienen an. Im Gegensatz zu Behauptungen mancher Exoten-Gegner. Für den „kleinen Süden“ direkt am Haus – gerne regengeschützt unterm Dachrand – eignen sich Kakteen. Besonders die aus der Familie der Opuntien, welche selbst noch in Kanada vorkommen. Zusammen mit Yuccas, wie Y. filamentosa, rostrata oder glauca, auf magerem, sandhaltigem Boden arrangiert, vermitteln sie das Gefühl des Wilden Westens. Da schmecken Tequila und Taco doppelt gut. Bei einer solchen, eher sparsam konzipierten Anlage, werden die rauchenden Colts zwischen Garten-ideologisch divergierenden Vorstadt-Farmern ganz sicher schweigen und der Friede bleibt erhalten. Hasta la Vista, Nachbar!