Im Zweiten Weltkrieg trat die immense strategische Bedeutung von Forschung und Entwicklung überdeutlich zutage. Deshalb drang der Oberbefehlshaber der United States Army Air Forces (USAAF), Henry Arnold, schon vor dem Ende der Kampfhandlungen auf die „Fortsetzung der Teamarbeit zwischen dem Militär, anderen Regierungsbehörden, der Industrie und den Universitäten“, wobei er gleichzeitig betonte, daß „die wissenschaftliche Planung (...) der eigentlichen Forschungs- und Entwicklungsarbeit um Jahre voraus sein“ müsse. Um dies zu ermöglichen, gründete Arnold zunächst die Scientific Advisory Group, bevor er dann am 1. Oktober 1945 das Project RAND (Research and Development) aus der Taufe hob. Dem vorausgegangen waren Absprachen mit Franklin Collbohm, einem Manager des Flugzeugbauers Douglas Aircraft Company, dem Firmeneigner Donald Wills Douglas sowie dem leitenden Douglas-Ingenieur Arthur Raymond, der unter anderem für die Entwicklung der DC-3, also des meistgebauten Verkehrsflugzeuges aller Zeiten, verantwortlich gewesen war. Letzterer schlug dann auch die Bezeichnung RAND vor.
Interdisziplinär und rigoros in der Herangehensweise
Als erster Träger der neuen Forschungs- und Entwicklungsabteilung, welche im Dezember 1945 ihre Arbeit aufnahm und bereits im Mai 1946 das Konzept eines „experimentellen weltumkreisenden Raumschiffs“ vorlegte, fungierte wie vereinbart die Douglas Aircraft Company. Allerdings befürchtete Donald Wills Douglas Ende 1947, daß die Verbindungen zwischen seinem Unternehmen und dem Project RAND künftig zu Interessenkonflikten führen könnten. Angesichts dessen und mit Blick auf das enorm schnelle Wachstum sowie die organisatorische Verselbständigung von RAND genehmigte der Stabschef der US-Luftwaffe, Carl Spaatz, die Herauslösung aus dem Verbund mit Douglas und die Gründung einer eigenständigen, als gemeinnützige Gesellschaft nach kalifornischem Recht auftretenden RAND Corporation.
Diese erfolgte zum 14. Mai 1948, wobei die nunmehrige Aufgabe der Denkfabrik darin bestehen sollte, „wissenschaftliche, erzieherische und wohltätige Zwecke zu fördern – im Dienste des öffentlichen Wohls und der Sicherheit der Vereinigten Staaten von Amerika“. Und dabei erzielte sie tatsächlich eine Reihe beachtlicher Erfolge, was nicht zuletzt aus der großzügigen Finanzierung durch die Ford Foundation und später dann vor allem auch das Pentagon resultierte.
So lieferte die RAND Corporation richtungsweisende Beiträge zum amerikanischen Weltraumprogramm und zur digitalen Datenverarbeitung beziehungsweise zur Entwicklung der Künstlichen Intelligenz. Im letzteren Zusammenhang baute sie einen der ersten Computer weltweit und schuf auch wichtige Grundlagen für die Technologie des Internets. Weitere Pionierleistungen waren innovative Arbeiten auf den Gebieten der Entscheidungsfindung, der Spieltheorie, der linearen und dynamischen Programmierung, der mathematischen Modellierung und Simulation, der Netzwerktheorie sowie der Systemanalyse. Welches fachliche Gewicht die sowohl militärisch als auch zivil nutzbaren Forschungsergebnisse der RAND Corporation oftmals besaßen, läßt sich nicht zuletzt daran ermessen, daß an deren Entstehung unter anderem 31 Personen mitwirkten, die einen Nobelpreis in Physik oder Wirtschaftswissenschaften erhielten. Gleichzeitig brachte die Denkfabrik auch Politiker wie die US-Außenministerin Condoleezza Rice hervor. Erinnert sei zudem daran, daß George W. Bushs späterer Verteidigungsminister Donald Rumsfeld zwischen 1981 und 1986 als Präsident der RAND Corporation fungierte.
Heute ist das Tätigkeitsspektrum von RAND breiter gefächert als je zuvor und umfaßt neben den klassischen Aufgabenfeldern Nationale Sicherheit, Außenpolitik, Zukunft der Raumfahrt und der militärischen Technologien sowie der Computertechnik nun auch die Bereiche Terrorismusabwehr, Krisenmanagement und Katastrophenvorsorge, staatliche Verwaltung, Unternehmensführung, Umweltschutz, öffentliche Gesundheit, Bevölkerungsentwicklung, Sozial- und Familienpolitik, Infrastrukturentwicklung, Zivil- und Strafrecht, Kriminologie, Waffenpolitik sowie Bildung und Kunst.
Zur Erfüllung all dieser Aufgaben steht der Denkfabrik aktuell ein Budget von über 350 Millionen US-Dollar zur Verfügung. Davon werden unter anderem die 1.880 Mitarbeiter aus 50 verschiedenen Ländern der Erde finanziert, von denen mehr als die Hälfte einen Doktortitel besitzt. Diesen können angehende Politikanalysten inzwischen auch an der haus-eigenen Frederick S. Pardee RAND Graduate School erwerben.
Typisch für den Arbeitsstil der RAND Corporation sind heute genau wie in den Anfangsjahren interdisziplinäre Problemlösungen und eine rigorose, faktenbasierte Herangehensweise, welche zu Ergebnissen führt, die seitens der US-Regierung nicht immer gern zur Kenntnis genommen werden. So machte die Denkfabrik in der jüngeren Vergangenheit mit ungeschminkten Analysen zum Ukraine-Krieg von sich reden. Eine davon ist die von Samuel Charap und Miranda Priebe vorgelegte Studie „Vermeidung eines langen Krieges. US-Politik und der Verlauf des Rußland-Ukraine-Konflikts“ von Anfang 2023. Diese gelangt zu dem glasklaren Schluß, daß die Interessen der Ukraine gänzlich andere seien als die der USA. Deshalb müsse Washington auf einen schnellen Waffenstillstand drängen. Denn das übergeordnete Ziel der Vereinigten Staaten bleibe der Sieg im Wettstreit mit China, und die dauerhafte Schwächung Rußlands infolge möglicherweise noch jahrelang anhaltender Kampfhandlungen in der Ukraine nütze den Machthabern in Peking letztlich deutlich mehr als den USA.