© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

Blick in die Medien
Deutschland rutscht ab
Boris T. Kaiser

Deutschland ist in der Rangliste der Menschenrechtsorganisation „Reporter ohne Grenzen“ (RSF) zur weltweiten Pressefreiheit erneut um mehrere Plätze nach unten gerutscht. 2023 erreichte die Bundesrepublik mit Platz 21 hinter Samoa nicht einmal die Top 20 – und liegt damit nur noch knapp vor Namibia und Costa Rica. 

Schuld daran soll die Zunahme der Angriffe auf Journalisten sein. Woher diese angeblich kamen, dürfte klar sein. Mit 87 von 103 Fällen habe „die Mehrheit der Attacken in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten“ stattgefunden. Dies sei der höchste Stand von physischen Angriffen auf Journalisten seit Beginn der Aufzeichnungen.

Begonnen hat die Organisation diese Aufzeichnungen praktischerweise im Jahr 2015, also in einer Zeit, in der immer mehr Rechte und Konservative anfingen, verstärkt für ihre Ideen auf die Straße zu gehen, nachdem dies über Jahrzehnte eine Domäne der linken Szene war.

Die Analyse beruht auf einem zweifelhaften Fragebogen, in anderen Bereichen steht Deutschland gut da.

Seit 2022 wird die Rangliste zudem mittels einer neuen Methodik erstellt. Diese wurde laut „Reporter ohne Grenzen“ von einem „Expertenkomitee aus Medien und Forschung erarbeitet“.

Im wesentlichen beruht diese Analyse auf einem Fragebogen, den sich die RFS „von Spezialist*innen für Pressefreiheit (Journalist*innen, Forscher*innen, Wissenschaftler*innen, Menschenrechtsaktivist*innen und anderen)“ beantwortet lassen haben will. Dieses Verfahren könnte nicht nur die Beurteilung dessen, was und wer die Journalisten gefährdet erklären, sondern auch, warum Deutschland in anderen Bereichen noch immer überraschend gut dasteht.

Wenn beispielsweise die Frage nach dem Einfluß der Regierung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Berichterstattung noch immer mit „Überhaupt keinen Einfluß“ beantwortet wird, spricht das Bände. Auch, daß in den größten Medien regierungsunabhängige Informationen verbreitet würden, ist mit Blick auf das journalistische Corona-Desaster fragwürdig. Daß die Experten auch das mit „absolut, ja“ beantworteten, läßt nicht unbedingt das Beste vermuten.