© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

Der eigentümliche Kulturkampf einer Kulturstaatsministerin
Einfach nur Provinzialismus
(ob)

Man nimmt Anstoß an religiösen Zeichen, an allzuviel sichtbarer Präsenz von Religion in der Öffentlichkeit.“ Darüber empört sich der Kulturwissenschaftler und ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, der heute noch Sprecher des Arbeitskreises „Christen in der SPD“ ist, in einer Philippika gegen „Bilderstürmereien und Säuberungsaktionen“ (Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte, 3/2023). Thierse, der eine wohl von den Zumutungen des Islam ausgelöste, auch die christlichen Kirchen treffende „allgemein religionsfeindliche Stimmung“ wahrzunehmen glaubt, hat dabei nicht so sehr Bürgerproteste gegen Moscheebauten und Muezzinrufe im Auge, „die für viele Menschen in unserem Land mindestens gewöhnungsbedürftig sind“. Er wendet sich vielmehr gegen jüngste Interventionen von Außenministerin Annalena Baerbock, die für eine G7-Konferenz im Rathaus zu Münster ein christliches Kreuz abhängen ließ, sowie gegen den Kleinkrieg Claudia Roths, den sie ausgerechnet als Kulturstaatsministerin gegen ein von unten kaum lesbares Band mit Bibelsprüchen führt, das die Kuppel des Berliner Schlosses ziert. „Welch eigentümlicher Kulturkampf!“ Drei Viertel der Weltbevölkerung gehören einer Religionsgemeinschaft an, aber in Berlin meine man, sich von Religionszeichen distanzieren und auf die Gefährlichkeit von Religion hinweisen zu müssen. Und das hielten diese grünen Politikerinnen offenbar noch für einen deutschen Beitrag zum „globalen kulturellen Dialog“. Aus Thierses Sicht ist es hingegen „einfach nur Provinzialismus“, der einer geschichtlich und kulturell umfassend von Christentum und Aufklärung geprägten Nation nicht würdig sei. 


 www.frankfurter-hefte.de