Das Dementi von Klara Geywitz war eindeutig: „Wir können und wollen Menschen nicht zum Umzug zwingen, nur weil sie in einer großen Wohnung wohnen“, erklärte die SPD-Bauministerin in der Welt am Sonntag. Und als diplomierte Politikwissenschaftlerin dachte sie dabei wohl an Artikel 13 des Grundgesetzes (GG): „Die Wohnung ist unverletzlich.“ Doch für Juristen erlaubt Absatz 7 Eingriffe „insbesondere zur Behebung der Raumnot“. Und das „Klima-Urteil“ (1 BvR 2656/18) des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) von 2021 ermöglicht sogar noch mehr: Artikel 20a GG verpflichte „den Staat zum Klimaschutz. Dies zielt auch auf die Herstellung von Klimaneutralität“, so BVerfG-Präsident Stephan Harbarth (CDU).
Und werden Massenzuwanderung und CO2-Budget zusammengedacht, ist keine Wohnung und kein Einfamilienhaus mehr sicher. Denn den 84,3 Millionen Einwohnern in Deutschland steht mit durchschnittlich etwa 47 Quadratmetern (m²) pro Kopf ausreichend Wohnraum zur Verfügung – 1979 waren es nur 32 m². Doch je größer die Wohnfläche, desto größer der Energieverbrauch: 2021 verbrauchten die Privathaushalte 670 Terawattstunden (TWh) Energie – das waren 27,8 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs. Und für die „Klimaneutralität“ muß der Verbrauch stark sinken.
Daher wurde schon vor vier Jahren von Maria Krautzberger (SPD), damals Chefin des Umweltbundesamts (UBA), die Richtung vorgegeben: Durch „Mehr-Generationen-Wohnen und gemeinschaftliches Wohnen im Alter, Wohnungstauschbörsen sowie den Umbau von Bestandswohnungen in kleinere Wohneinheiten auch in ländlicheren Regionen“ sinke die Pro-Kopf-Wohnfläche im „GreenSupreme“-Szenario „ab 2030 von 46,2 m² auf 41,2 m² in 2050“. Klara Geywitz hat das 443seitige UBA-Papier 36/19 „Climate Change – Wege in eine ressourcenschonende Treibhausgasneutralität“ vielleicht nicht gelesen, doch das „GreenSupreme“-Szenario ist eher noch ein „mildes“: Es sei nur „ein Pfad für die Welt, einen Teil der Nachhaltigkeitsziele zu erreichen“.
Anhebung der Bestands- auf die Marktmiete und ein Vermieter-Soli
Dies bedeute zwar „Nullwachstum“, aber das „Einfrieren unseres ‘Wohlstandes’ auf einem relativ hohen Niveau gibt anderen Regionen die Chance aufzuholen und in 2050 treibhausgasneutral zu sein“. Das Geywitz unterstehende Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat in einer 135seitigen Publikation die Pro-Kopf-Wohnfläche im Szenario „suffizient“ sogar auf „10 bis 35 m²“ reduziert. Die Erklärung ist BVerfG-kompatibel: „Als Suffizienz werden Nutzungs- und Konsummuster bezeichnet, die eine ausreichende Bedürfnisbefriedigung für alle ermöglichen und dabei gewährleisten, daß Ressourcenverbrauch und Umweltwirkungen innerhalb der ökologischen Tragfähigkeit der Erde bleiben.“ Sprich: Behagliches Wohnen schadet dem Klima, denn „Fläche wird beleuchtet, beheizt, mit Bodenbelag versehen und möbliert, muß gereinigt und instandgehalten werden“, argumentiert das UBA.
Und wer sind diesbezüglich die schlimmsten „Klimaschädlinge“? Laut Mikrozensus 2010 lebten in der Gruppe der über 65jährigen 56 Prozent im Wohneigentum. Nach laut BBSR belegte ein Ein-Personenhaushalt in der Altersgruppe über 75 Jahre im Jahr 1978 nur 55 Quadratmeter, 2010 waren es aber bereits 78 Quadratmeter – mehr als das Doppelte des „klimagerechten“ Suffizienz-Szenarios. Überdies wächst der Anteil älterer Haushalte, die im Eigentum wohnen, stetig. Seit 2010 um rund fünf Prozent, so eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Rund sechs Prozent der Haushalte in Großstädten würden in zu großen Wohnungen leben, heißt es unter dem Titel „Mismatch im Wohnungsmarkt“ (IW Kurzbericht 5/23). Doch es werde mehr freie Wohnfläche gebraucht, denn schließlich fehlen jährlich „etwa 400.000 Fachkräfte, und mit jedem weiteren Jahr werden es mehr“, wie IW-Ökonom Wido Geis-Thöne bei T-Online klagte. Hohe Strom- und Gaspreise könnten etwas bewirken: „Da die Energiekosten zu einem erheblichen Teil über die Wohnfläche bestimmt werden, gibt es nun für Haushalte in sehr großzügigen Wohnungen mehr Anreize, in kleinere Wohnungen zu ziehen“, so IW-Wohnungsexperte Pekka Sagner. Eine Belastung „durch ein Anheben der Bestandsmieten“ wird abgelehnt. Besser sei mehr Neubau sowie die Förderung von Dachausbauten, Aufstockungen und die Schaffung von Einliegerwohnungen in „selbstgenutztem Wohneigentum“.
Forscher des Immobilieninstituts der Uni Regensburg (IREBS) glauben nicht daran, daß die Neubauziele der Ampel-Koalition (400.000 Wohnungen jährlich) erreicht werden können. Daher hält es IREBS-Ökonom Steffen Sebastian „für ein Unding, daß Menschen, die bereits seit Jahren und Jahrzehnten eine geringe Miete zahlen, so extrem geschützt werden, während andere keine bezahlbare Wohnung finden“, so der Professor im Handelsblatt. Zusammen mit seinem IREBS-Kollegen Jürgen Kühling und Sebastian Siegloch (Uni Mannheim) wirbt Sebastian seit 2021 für einen Radikalvorschlag: „Reform“ der Vergleichsmiete, Anhebung der Bestands- auf die hohe Marktmiete und ein „Vermieter-Soli“; mit diesen Steuereinnahmen könne Wohngeld bezahlt werden – aber nur für „Bedürftige“. Witwen auf 100 m² zählen nicht dazu.
Sprich: Der Altmieterschutz muß weg, damit für Familien, Gutverdiener und Zuwanderer Wohnraum frei wird. Und in einem FAZ-Beitrag wurde ergänzt: Diese marktkonforme Neuorientierung lege die „notwendige Basis für eine Finanzierung der energetischen Sanierung des Gebäudebestands“. Das Pikante dabei: Sebastian berät als Chef der Mietspiegelkommission auch die Bundesregierung.
Auf der Herbstkonferenz der Justizminister im November 2022 wurde erstmals an den „günstigen Altmietverträgen“ gerüttelt: Die in vielen Haushalten vorhandenen „stillen Wohnraumreserven“ böten „einen Ansatzpunkt“, um „zusätzliche Entlastungen für die Wohnungsmärkte zu schaffen“. FDP-Justizminister Marco Buschmann solle Regelungen prüfen, die es für „Mieter attraktiv machen, im Einvernehmen mit ihrem bisherigen Vermieter einen Umzug in eine kleinere Wohnung zu verwirklichen“. Berichterstatter waren der bayrische Justizminister Georg Eisenreich (CSU) und seine grünen Kolleginnen Katja Meier (Sachsen), Anna Gallina (Hamburg) und Doreen Denstädt (Thüringen).
Aber wie könnten „unterbelegte“ Einfamilienhäuser und Eigentumswohnungen „suffizienter“ werden? Hier bietet sich als Hebel der teure Wärmepumpeneinbau und die Zwangssanierung durch das Gebäudeenergiegesetz (GEG) von Klara Geywitz und Robert Habeck an. Bei der Finanzierung könnten aufgenommene Untermieter mithelfen, für die auf überzähligen Quadratmetern eine Bleibe eingerichtet wird. Und das würde ärmeren Besitzern die Zwangsversteigerung und den Umzug ersparen.
„Unterstützung von Suffizienzansätzen im Gebäudebereich“ (BBSR-Online-Publikation 9/23): bbsr.bund.de