© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

Grüße aus … Bozen
Bye bye Übertourismus
Paul Decarli

Südtirol ist als idyllische Urlaubsregion in ganz Europa und darüber hinaus bekannt. Mittlerweile hat jedoch die Anzahl der Menschen, welche an den malerischen Ufern von Eisack, Etsch und Rienz ihre Ferien verbringen wollen, ein kritisches Niveau erreicht. Um die Menschen und die Natur der Region vor den negativen Auswirkungen des „Übertourismus“ zu schützen, hat die Südtiroler Landesregierung ein gesetzliches Machtwort gesprochen. Das Zauberwort lautet hierbei Bettenstopp oder Bettenobergrenze.

Effektiv heißt damit das Primärziel des Landestourismusentwicklungskonzepts (LTEK) 2030+, die Gesamtanzahl an Bette auf den Wert von 2019 mit cirka 330.000 zu deckeln. Aktuell wird noch bis Ende Juni von den einzelnen Gemeinden eine Neuerhebung der gesamten Bettenanzahl durchgeführt, um eine gesicherte Ausgangsbasis zu haben. Die Gästebettenobergrenze wird durch diese Zahl definiert. Wenn die Grenze erreicht ist, können keine weiteren Betten mehr hinzugefügt werden, es sei denn, ein Betrieb stellt seine Tätigkeit ein.

Die Vorreiterrolle Südtirols erweckt auch die Neugierde anderer Touristenhochburgen. 

Diese Regulierung ist dabei ein Novum und richtungsweisend für die gesamte Tourismusbranche. Man priorisiert damit klar Qualität vor Quantität, doch ist dies auch sinnvoll? Um die Antwort vorwegzunehmen: Ja. Rein von den Zahlen her betrachtet, würde wohl kurzfristig eine quantitative Weichenstellung der beste Weg sein. Doch mit dieser Form des Massentourismus würde nicht nur langfristig die Südtiroler Naturlandschaft geschädigt werden. Auch das Aussterben der gelebten Südtiroler Gastfreundschaft, der immateriellen Werte und die kulturellen Eigenheiten der Klein- und mittelständischen Unternehmen würden damit einhergehen.

Daß das Setzen auf Qualität fruchtet, zeigt das seit vielen Jahren gut funktionierende Konzept der „Urlaub auf dem Bauernhof“-Betriebe. Diese harmonieren durch ihre persönliche Note und den hohen Grad an Authentizität perfekt mit dem heimeligen Gefühl der Gäste. Dieses Qualitätsstreben muß dabei nicht nur von den Touristikern selbst stärker ins Auge gefaßt werden, es muß vielmehr als gesamtgesellschaftliches Umdenken verstanden werden. Es geht darum, den Wirtschaftszweig nicht durch pure Masse weiter aufzupumpen, sondern vielmehr die vorhandene Substanz durch Innovation und Kooperation zukunftsfit zu gestalten. 

Die Vorreiterrolle Südtirols erweckt dabei auch die Neugierde anderer Touristenhochburgen wie jene um den Comer See oder die Cinque Terre in Ligurien. Wünschenswert wäre es, daß sich genau mit solchen Entscheidungen das Südtiroler Tourismus-Profil noch weiter schärft und die Region als Musterbeispiel für einen ökologisch vertretbaren Umgang mit Urlaubssuchenden profiliert.