Keine jahrelangen Verhandlungen, keine komplizierte „Disziplinarklage“ und kein Ruhegehalt: Innenministerin Nancy Faeser (SPD) möchte den „öffentlichen Dienst“ von „Verfassungsfeinden“ säubern. Und sie will es schnell und gründlich tun (JF 10/22). Der Gesetzentwurf, der diese Woche nach der ersten Lesung im Bundestag in die weitere parlamentarische Beratung im Innenausschuß geht, hat es in sich.
Zum einen enthält er eine Beweislastumkehr. Besteht der Verdacht, daß ein Beamter nicht auf dem Boden der Verfassung steht, muß der Dienstherr nicht mehr wie bisher eine Klage vor dem Verwaltungsgericht anstrengen. Statt dessen kann die vorgesetzte Behörde eine „Disziplinarverfügung“ aussprechen und die Person kurzerhand zurückstufen oder sogar aus dem Beamtenverhältnis entfernen. Fühlt sich der Beamte zu Unrecht sanktioniert, kann er anschließend vor dem Verwaltungsgericht klagen – und muß in diesem Verfahren dementsprechend seine Verfassungstreue nachweisen. Mit dieser Methode soll die Behördensäuberung nicht bloß einfacher, sondern auch schneller vonstatten gehen. Derzeit dauert ein derartiges Verfahren im Durchschnitt vier Jahre.
Das sei nicht hinnehmbar, behauptet die Bundesregierung, bei „Personen, die die Bundesrepublik und ihre freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnen, auch weil die Betroffenen während des gesamten Disziplinarverfahrens weiterhin einen beträchtlichen Teil ihrer Bezüge erhalten“, heißt es in dem Entwurf. Auch hier soll nun der Hammer kreisen: Wer sich gerichtlich gegen seine Entfernung wehrt und das Verfahren verliert, soll das im Verhandlungszeitraum erhaltene Gehalt anschließend zurückzahlen. Heute könne es von Interesse sein, den Abschluß eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens hinauszuzögern, um möglichst lange weiterhin Bezüge zu erhalten, mutmaßt man im Innenministerium. Solche „Fehlanreize“ sollen im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung abgestellt werden.
Noch unklar ist bei diesen Plänen, ob sich auch die Maßstäbe, nach denen Personen aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden können, ändern sollen. So reicht nach dem geltenden Beamtengesetz etwa die bloße Mitgliedschaft in einer als „verfassungsfeindlich“ eingestuften Partei nicht aus, um jemanden aus dem Staatsdienst zu entfernen. Nur die aktive Tätigkeit in einer Partei, verbunden mit öffentlichen verfassungsfeindlichen Äußerungen, kann demnach eine Entlassung rechtfertigen. Das vom Bundesverwaltungsgericht 1980 formulierte Urteil, nach dem „Staat und Gesellschaft“ an einer „unkritischen Beamtenschaft kein Interesse“ haben könnten, wurde zudem zuletzt 2020 in einem Gutachten des Innenministeriums bestätigt. „Die Grenzen einer sich im Rahmen der Verfassung haltenden Kritik“, heißt es weiter, würden nur überschritten, „wenn die freiheitliche demokratische Grundordnung offen als nicht erhaltenswert bezeichnet wird.“
Daher hatte der Staatsrechtler Dietrich Murswiek in einem Gutachten Beamten, die Mitglied einer vom Verfassungsschutz beobachteten Partei sind, geraten, sich dort stets für eine verfassungsmäßige Ausrichtung der Partei einzusetzen und sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu distanzieren. So verletze er seine Verfassungstreuepflicht nicht.