© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 20/23 / 12. Mai 2023

„Auch als Opposition einiges bewirken“
Bürger in Wut: Der Vorsitzende Jan Timke über den Aufwind für seine Partei – und warum er sich bei der Konkurrenz nicht für deren Fehler bedankt
Christian Vollradt

Herr Timke, Sie sind seit mehr als eineinhalb Jahrzehnten in der Bremer Landespolitik vertreten – bisher allerdings immer nur dank der Ergebnisse in Bremerhaven. Diesmal haben Sie gute Chancen, im gesamten Land Bremen sicher über die Fünfprozenthürde zu kommen. Woran liegt das? Haben Sie so viel richtig gemacht – oder die anderen Parteien so viel falsch?

Timke: Allen Populismusvorwürfen zum Trotz machen wir seit nunmehr 15 Jahren pragmatisch-konservative Politik in Bremen. Wir profitieren davon, daß die Arbeit des amtierenden Senats aus SPD, Grünen und Linken – übrigens das erste Bündnis unter Beteiligung der SED-Nachfolger auf Landesebene im Westen Deutschlands – stark ideologiegetrieben ist und an der Lebenswirklichkeit der Menschen vorbeigeht.

Haben Sie sich eigentlich schon bei der AfD bedankt, die sich in Ihrem Stadtstaat lieber selbst zerlegt und so den Antritt bei der Wahl vermasselt hat?

Timke: Die Querelen innerhalb der Bremer AfD dauern schon seit Jahren an. In der Bürgerschaft kam es zweimal zu einer Spaltung ihrer Fraktion. Es war deshalb fast schon absehbar, daß es der Landesverband nicht schaffen würde, sich auf eine gemeinsame Kandidatenliste für die anstehende Bürgerschaftswahl zu einigen. Daß die Partei 2019 überhaupt noch einmal über die Fünfprozenthürde kommen konnte, hat sie allein dem positiven Trend und der medialen Präsenz ihrer Bundespartei zu verdanken. Dadurch konnte die Bremer AfD trotz politischer Untätigkeit und schwachen Personals zahlreiche Protestwähler mobilisieren, die bei BIW besser aufgehoben gewesen wären. Ohne die AfD hätten wir wahrscheinlich schon vor vier Jahren den Bürgerschaftseinzug in Fraktionsstärke geschafft. Die Bremer AfD blockiert also eine schlagkräftige konservative Politik in den Parlamenten hier, wie sie derzeit allein BIW leisten. Sie nützt damit dem politischen Gegner. Insoweit habe ich keinen Grund, mich bei der AfD zu bedanken. 

Was hören Sie an Ihren Wahlkampfständen am meisten, was treibt die Leute bei dieser Wahl um, worum muß sich Bremens Politik am ehesten kümmern?

Timke: Der Wahlkampf in Bremen wird von drei großen Themen beherrscht: Verkehr, Bildung und Sicherheit. Die Gängelung der Autofahrer durch die grüne „Mobilitätssenatorin“ Maike Schaefer, die den motorisierten Individualverkehr mit allen Mitteln aus der Innenstadt verdrängen will, nimmt immer groteskere Züge an. Die Kriminalität ist im vergangenen Jahr besorgniserregend gestiegen, was auch mit dem unkontrollierten Zuzug angeblich minderjähriger Migranten zusammenhängt, die vor allem im Umfeld des Bremer Hauptbahnhofs ihr Unwesen treiben. Gleichzeitig stapeln sich in den Dezernaten der Bremer Polizei 20.000 unbearbeitete Ermittlungsakten. Und durch die völlig verkorkste Bildungspolitik mit Einheitsschule und Inklusion geraten Bremer Schulabsolventen im Wettbewerb um Ausbildungs- und Studienplätze gegenüber ihren Altersgenossen aus anderen Bundesländern zunehmend ins Hintertreffen. 

Offensichtlich haben Sie mit Ihrem Wahlkampf den Nerv einer wachsenden Zahl von Bürgern getroffen. Ein Problem aber bleibt: Niemand will mit Ihnen koalieren. Ist das nicht etwas frustrierend?

Timke: Nein, überhaupt nicht. Wir BIW beziehen unsere politische Stärke aus der engagierten Oppositionsarbeit, die wir sowohl in der Bremischen Bürgerschaft als auch den Kommunalparlamenten leisten. Dort setzen wir brisante Themen auf die Tagesordnung, die ansonsten unter den Teppich gekehrt worden wären, und machen immer wieder Fälle von Filz und Vetternwirtschaft öffentlich, die im kleinen, von der SPD beherrschten Bremen besonders ausgeprägt sind. Man kann durchaus auch in der Opposition politisch einiges bewirken, wenn man es richtig anstellt. Der Zuspruch bestätigt unseren Kurs, den wir in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen werden – und das voraussichtlich mit viel mehr Abgeordneten und materiellen Ressourcen.






Jan Timke ist Vorsitzender von Bürger in Wut (BIW) und seit 2008 Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft. Geboren wurde der ehemalige BKA-Beamte 1971 in Hoya bei Nienburg/Weser.

 www.biw-bremen.de