Das Leben ist nicht verloren, wenn du aufhörst zu atmen, sondern wenn du aufhörst, glücklich zu sein.“ Genau diese Worte gab mir meine Tante vor gut 25 Jahren mit auf den Weg.
Eva war aufgrund eines Schlaganfalls sowohl auf den Rollstuhl als auch auf die ständige Hilfe ihres Mannes angewiesen. Trotz dieser Umstände kam ihr nie ein Wort des Klagens über die Lippen. Ganz im Gegenteil: Sie war liebevoll, freundlich und stets für einen Spaß zu haben.
Ich mochte sie, denn bei ihr fand ich zudem etwas, was ich als junger Erwachsener in meinem sonstigen Umfeld oft vermißte: Eva hatte immer ein offenes Ohr für meine kleinen und großen Probleme.
Da wir über die Jahre hinweg eine enge Verbindung zueinander hatten, kann ich mich noch gut daran erinnern, wie sich ihr Gemütszustand zum Ende ihres Lebens stark veränderte: Eva wirkte zunehmen nachdenklich und stiller als sonst. Lag es vielleicht an den gesellschaftlichen Entwicklungen? Oder wurde ihr bewußt, daß es für die Erfüllung ihrer Sehnsüchte, über die sie sehr gern sprach, mittlerweile zu spät war?
Warum vergessen wir oft uns selbst, die positiven Dinge und die einst gehegten Träume?
Eva ist nun schon lange nicht mehr da und nur selten habe ich in letzter Zeit an sie gedacht. Doch dies ändert sich, als ich mich mit einem Freund treffe.
„Ich bin einfach nicht mehr glücklich!“, sagt er bereits nach kurzem Gespräch. Auf meine Frage, woran es liegen mag, entgegnet er recht nüchtern: „Ich bin gesund, habe einen guten Job und eine tolle Familie. Eigentlich müßte ich zufrieden sein, aber dennoch fühlt es sich so an, als hätte ich die Kontrolle über mein Leben abgegeben.“
Wir philosophieren darüber, warum wir uns selbst so oft „vergessen“ und das Leben schon vor dem eigentlichen Tod „verlieren“: Wir verlieren es, wenn wir andere beneiden, ohne zu versuchen, uns selber zu verbessern. Wir verlieren es, wenn wir Negatives fokussieren, anstatt die schönen Dinge zu genießen. Und wenn wir unsere Wünsche stetig verdrängen und uns im Lauf der Zeit nicht mal mehr daran erinnern.
Während im Radio ein Lied läuft, das mich an meine Jugend erinnert, kommt mir ein weiterer Gedanke: „Vielleicht ist das Leben ja wie ein Konzert. Es geht darum, sein eigenes Meisterwerk aufzuführen und nicht, es allen recht zu machen oder andere zu imitieren.“ Als sich Emil verabschiedet, bedankt er sich bei mir. Ich lächele und sage mir selbst: Ich werde es Eva ausrichten.