© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/23 / 05. Mai 2023

Vor 100 Jahren: Die Thüringer Keimzelle der Frankfurter Schule
Erste Marxistische Arbeitswoche
(ob)

Vom 20. Mai 1923 an fand in einem Bahnhofshotel in Geraberg bei Arnstadt die „Erste Marxistische Arbeitswoche“ statt, die in der Forschung als Keimzelle der „Frankfurter Schule“ gilt. Zwar kamen Max Horkheimer und Theodor W. Adorno nicht in die thüringische Provinz, doch mit Georg Lukács, ihrem orthodox-marxistischen Widerpart, Karl Korsch sowie dem Horkheimer-Vertrauten Friedrich Pollock, der nachmaligen grauen Eminenz des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, hatten sich wichtige Exponenten einer „wissenschaftlichen Entwicklung des Marxismus“ erstmals versammelt. Für Eberhard Pausch, Studienleiter für Religion und Politik an der Evangelischen Akademie in Frankfurt/M., ist das Datum daher Anlaß, daran zu erinnern, daß die „Frankfurter Schule“ ungeachtet der KPD-Mitgliedschaft einiger ihrer Mitarbeiter gegen jede Ideologie kritisch eingestellt gewesen und stets eine „Schule der Freiheit“ geblieben sei, die sich für eine gerechtere und friedlichere Gesellschaft engagiert habe (Zeitzeichen, 3/2023). Gelitten habe sie, wie der Popper-Anhänger Pausch rügt, nur an einer, auch auf dem rechten Ende des sozialphilosophischen Spektrums grassierenden Schwäche: der Abhängigkeit von der dialektischen Denkmethode Hegels und Marx’, die sie auf Distanz zur kapitalistischen Demokratie gehalten habe. 


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