Geschichte schreiben – als hätten die noch unbekannten Täter meine Kolumne oder meine Gedanken politischer Aktionskunst gelesen, haben sie Anfang April auf dem Sowjetischen Ehrenmal am Kuckucksweg, unterhalb der Spiegelsberge, etwas getan, was – wie ich dem ehemaligen SED-Organ Volksstimme entnehme – sogleich den „Kuckuck“ der Ermittlungsbehörden auf den Plan rief. So sucht das Polizeirevier Harz nach Zeugen wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Tatvorwurf: Ein aus neun Kantensteinen des Ehrenmals gelegtes Hakenkreuz auf dem in den Boden eingelassenen Sowjetstern aus rotem Marmorstein. Also vermutlich der gleiche Tatbestand, würde Zorro den sowjetischen Panzer im Berliner Tiergarten mit einem „Z“ markieren. Als ich am 1. Mai, einst „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“, das Relikt sowjetischer Besatzungszeit besichtige, finden sich nur noch seltsam gerundete Striche um den verhaßten Stern – offenbar Reste der jüngsten „Kreidezeit“, also der kriminalistischen Spurensicherung. Tatsächlich erspähe ich eine Feuerwanze, die – als befände sie sich auf heißem, unsicherem Terrain – eiligst den roten Marmor überquert, um sich darauf im unendlich scheinenden Feld der grauen Beton-Quader zu verlieren.
„Irre ins Irrenhaus, die Schlauen ins Parlament, selber schuld daran, wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt.“
Beim Familienclan im Bundeswirtschaftsministerium aber, wo die Ermittlungen gerade erst beginnen, gibt es bereits ein Corpus delicti: Die Ausgabe 10/2023 des Magazins Wirtschaftswoche mit dem Konterfei des Vizekanzlers auf dem Titel, darauf als Überschrift ein Zitat aus dem Interview mit Robert Habeck: „Wenn Deutschland eine Aktie wäre – ich würde sie kaufen“.
Als ich die Überschrift im Zeitungskiosk lese, traue ich meinen Augen nicht und lache augenblicklich auf. Nur die irritierten Blicke der Kundschaft verhindern, daß ich in ein irres Gelächter ausbreche. Sofort kaufe ich das Magazin, dessen Ausgabe – dessen bin ich mir gewiß – dereinst in den Geschichtsbüchern im Kapitel staatlicher Wirtschaftskriminalität einen festen Platz finden wird als klassisches Beispiel für einen betrügerischen Leerverkauf. Immerhin ist es die Wirtschaftswoche selbst, die in einer anderen Ausgabe forsch dekretierte, daß „Short“ gleich „Mord“ sei. So gesehen agiert der staatliche Shortseller Habeck nicht nur als Klimaminister, sondern auch als Deindustralisierungsminister. Vor diesem Hintergrund wäre eigentlich eine Sicherungsverwahrung angezeigt. Doch mir kommt nur der legendäre Song „Irrenhaus“ der Rockband Keimzeit zum Ende der DDR in den Sinn, wo es heißt: „Irre ins Irrenhaus, die Schlauen ins Parlament, selber schuld daran, wer die Zeichen der Zeit nicht erkennt.“
Titelbild der „Wirtschaftswoche“ von Anfang März 2023