Wenige Firmenverkäufe haben eine so breite öffentliche Diskussion ausgelöst wie der Verkauf des Geschäftsbereichs „Climate Solutions“ des hessischen Mittelständlers Viessmann. Dieser stand bislang für inhabergeführte Industriefertigung in der nordhessischen Provinz. Dort erwirtschaftet die 106 Jahre alte Unternehmensgruppe mit 14.500 Mitarbeitern weltweit vier Milliarden Euro Umsatz – jahrzehntelang vor allem mit Öl- und Gasheizungen. Nach dem Verkauf der Klimasparte mit dem aktuellen Schwerpunkt Wärmepumpen an den Klimaanlagenproduzenten Carrier Global Corporation aus Florida verbleiben bei Viessmann 4.500 Mitarbeiter und eine Milliarde Euro Umsatz.
Man spricht von Zusammenschluß, zumal die Eigentümerfamilie Viessmann ein großes Aktienpaket des neuen US-Partners erhält. Trotzdem zeigen die Zahlen, daß die in Umsatz und Mitarbeitern viermal so starke US-Firma letzlich dominiert. Entsprechend groß sind die Bedenken der deutschen Politik, denn mit Viessmann gerät der Marktführer für Produkte, die durch den Heizungstauschzwang von Wirtschaftsminister Robert Habeck de facto unvermeidbar werden, unter ausländische Kontrolle. Auch die Viessmann-Mitarbeiter stehen dem Kultur- und Inhaberwechsel zu einem US-Konzern eher skeptisch gegenüber, auch wenn der Betriebsrat Arbeitsplatzgarantien zwischen drei und zehn Jahren im Stammwerk Allendorf durchsetzen konnte. Daran ändert weder die Berufung von Familienmitgliedern in die Carrier-Aufsichtsgremien noch der Verbleib von etwa 30 Prozent des Unternehmens in der ursprünglichen Form etwas.
Großer politischer Einfluß der „Klima-Branche“ in Deutschland
Im Ergebnis ist der Verkauf ein fatales Signal für den Anspruch der Ampel-Wirtschaftspolitik, durch die erzwungene Klima-Transformation ein grünes Wirtschaftswunder auszulösen. Abseits kurzfristiger Konjunkturimpulse, insbesondere für die Produzenten von Wärmepumpen & Co., erlebt Deutschland eine Deindustrialisierung bei Arbeitsplätzen, Produktionsstandorten und Eigentumsverhältnissen. Die politisch geschaffenen Rahmenbedingungen wie Energiepreise und Fachkräftemangel verteuern inländische Fertigungen und veranlassen Investitionen im Ausland. So verfügt auch Viessmann nicht nur aus logistischen Gründen bereits über 22 Produktionsstandorte in zwölf Ländern. Der Versuch der Wirtschaftspolitik, inländische, als „grün“ geltende Märkte für deutsche Hersteller zu fördern, scheitert nun bei den Wärmepumpenherstellern, ähnlich wie zuvor bei der deutschen Solarindustrie, an den internationalen Kraftverhältnissen der jeweiligen Branchen.
Seit langem verfolgen die großen internationalen Hersteller von Wärme- und Klimasystemen aus Japan, China, Korea und Amerika die Entwicklung der Rahmenbedingungen für deutsche Produktionen mit einem breiten Lächeln. Denn diese Konzerne in der Größe von Mitsubishi, LG oder Samsung produzieren international nicht nur an attraktiveren Standorten als Deutschland, sie verfügen zudem über wesentlich kostengünstigere Produkte aus der dortigen Massenfertigung.
In der Vergangenheit haben gerade im Wärmepumpenmarkt deutsche Hersteller wie Viessmann durch geschickte Marktpositionierungen und Kooperationen ihre Position gesichert. Zahlreiche Handwerksbetriebe des Heizungsbaus sind Kooperationspartner der Hersteller und empfehlen Systeme, für deren Einbau und Wartung sie geschult worden sind. Die Hersteller der Branche arbeiten zudem gut mit kommunalen und privaten Wohnungsbauunternehmen zusammen. Auch an politischem Einfluß mangelt es der Branche und den wichtigsten deutschen Unternehmen nicht. Gerade Viessmann werden gute Kontakte zur hessischen Koalition aus CDU und Grünen nachgesagt. Max Viessmann, Unternehmenserbe und aktueller Geschäftsführer der Viessmann-Gruppe, referierte auch regelmäßig im politischen Umfeld über Energieeffizienz in Gebäuden und Klimaschutz, unter anderem in der Unionsbundestagsfraktion.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß jetzt mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) ein ursprünglich durch diese Fraktion forciertes Gesetz aus der Regierungszeit von Angela Merkel die im Lobbying erfolgreich agierende Branche um Viessmann in Schwierigkeiten bringt. Der geplante Zwang, bei Neubauten und Heizungstausch mindestens 65 Prozent „erneuerbare Energie“ zu verwenden, ist keine Erfindung der Grünen in der Ampel-Koalition. Lediglich die Umsetzung mit der Brechstange durch Wirtschaftsminister Robert Habeck und seinen umstrittenen Staatssekretär Patrick Graichen ist – mit allen Konsequenzen für Firmen wie Viessmann – der derzeitigen Bundesregierung anzulasten.
Finanzstarke Kaufinteressenten für die deutschen Mittelständler
Die betroffenen Firmen sind Opfer des Erfolgs ihrer politischen Einflußnahme in zweifacher Hinsicht. Auf EU-Ebene haben insbesondere die deutschen Hersteller durchgesetzt, daß es voraussichtlich ein Verbot zahlreicher Chemikalien in den Wärmetauschern der Wärmepumpen mit der Umluft geben wird. Industriepolitisch richtet sich dieses Verbot gegen die günstigen asiatischen Hersteller, die diese Systeme in großer Stückzahl vor allem in Asien vertreiben, wo sie aufgrund der anderen regionalen Bauweisen weitere Vorteile bieten.
Während also auf europäischer Ebene politische Vorgaben zumindest kurzfristig technologische Vorsprünge deutscher Hersteller sichern, schafft die deutsche Politik schlagartig einen starken Wachstumsmarkt durch erzwungene Nachfrage, die die Hersteller und die mit ihnen verbundenen Handwerker kaum befriedigen können. Die Folge sind finanzstarke Kaufinteressenten für die deutschen Mittelständler, die neben Kapital auch eine Ausweitung der Produktionskapazitäten und neue Zugänge in ausländischen Märkten bieten.
Unter diesen Bedingungen ist die Annahme des Zwölf-Milliarden-Angebots der Carrier Group durch die Familie Viessmann eine betriebswirtschaftlich logische Konsequenz als Reaktion auf den sich ändernden Markt. Kritikwürdig ist in diesem Kontext vor allem eine deutsche Politik, die in verschiedenen Konstellationen Bedingungen schafft, um sich dann über deren Auswirkungen zu wundern und zu echauffieren.
Erklärung von Viessmann
Die Firma Viessmann wirbt um Verständis für den Verkauf des Geschäftsbereichs „Climate Solutions“ an Carrier Global: Diese „transatlantische Partnerschaft“ zeige, wie wichtig „länderübergreifende Zusammenarbeit im Kampf gegen den globalen Klimawandel“ sei. Damit „heben wir unseren Beitrag zur Dekarbonisierung des Gebäudesektors auf die nächste Stufe, mit einer größeren Relevanz und Reichweite auf globaler Ebene“, so Martin Viessmann, Vorsitzender des Verwaltungsrats. „Der globale Klimawandel schreitet schnell voran und das 1,5-Grad-Klimaziel droht außer Reichweite zu geraten“, erklärte sein Sohn Max Viessmann, seit 2016 Chef der Viessmann Group. Deshalb werde man als Familienunternehmen Technologien, „die CO2-Emissionen vermeiden, reduzieren oder speichern, in den Mittelpunkt unserer Aktivitäten stellen“. (fis)