© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/23 / 05. Mai 2023

Es darf gelauscht werden
Junge Alternative: Der Verfassungsschutz stuft den AfD-Nachwuchs zur „gesichert rechtsextremistischen“ Bestrebung hoch
Christian Vollradt

Ein Vorgang, zwei Bewertungen. Für die beiden AfD-Vorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla ist es „empörend“, für Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dagegen Ausweis einer „wehrhaften und starken Demokratie“: Vergangene Woche teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) mit, daß es den Parteinachwuchs, die Junge Alternative (JA), als „gesichert rechtsextreme Bestrebung“ einstuft. Begründung: Der Volksbegriff, der in der Jungen Alternative vertreten werde, sei nicht mit der Verfassung vereinbar. „Das in den Äußerungen und Verlautbarungen deutlich zutage tretende Volksverständnis der JA widerspricht dem im Grundgesetz zum Ausdruck kommenden Volksverständnis und ist geeignet, Angehörige vermeintlich anderer Ethnien auszugrenzen und deutsche Staatsangehörige mit Migrationshintergrund als Deutsche zweiter Klasse abzuwerten“, heißt es in der offiziellen Mitteilung der Behörde.

Ein beständiges Thema des AfD-Nachwuchses sei zudem die Agitation gegen Migranten. „Insbesondere Zuwanderern mit (vermeintlich) muslimischem Hintergrund werden in pauschaler Weise Negativeigenschaften zugesprochen, wie kulturelle Rückständigkeit und ein überproportional stark ausgeprägter Hang zu Kriminalität und Gewalt, allein aufgrund ihrer Herkunft und Religion“, erläuterte der Verfassungsschutz seinen Schritt.

Keine „Staatsbürger erster und zweiter Klasse“

Und noch etwas stößt den Mitarbeitern des in Köln ansässigen Inlandsnachrichtendienstes auf: eine Vielzahl von Verunglimpfungen „politischer Gegner, aber auch des Staates und seiner Repräsentanten an sich“. Damit zeige die JA, daß es ihr nicht um einen demokratischen Diskurs, „sondern um eine generelle Herabwürdigung des demokratischen Systems der Bundesrepublik Deutschland“ gehe.

2019 hatte das Bundesamt die JA als „Verdachtsfall“ bearbeitet. Nach der Heraufstufung zur „gesichert rechtsextremen Bestrebung“ kann der Verfassungsschutz nun alle nachrichtendienstlichen Instrumente nutzen. Dazu gehören neben dem Einsatz sogenannter V-Leute auch das Abhören von Telefonen und verdeckte Observationen. 

Eher unbeeindruckt von dieser Entwicklung zeigte sich der Bundesvorstand der Jungen Alternative. „Die Einstufung des sogenannten Verfassungsschutzes überrascht uns nicht“, teilte das Gremium um den Vorsitzenden Hannes Gnauck mit. Der als „Regierungsschutz“ angelegte Geheimdienst erfülle nur seinen Auftrag, der darin bestehe, die „Opposition hierzulande zu unterdrücken“.

Den Vorwurf, die JA ziele – wie auch die Mutterpartei – darauf ab, „das grundgesetzliche Verständnis des deutschen Volkes durch einen hiervon abweichenden, engeren, und zwar ethnisch verstandenen Volksbegriff zu ersetzen“, hat der Verfassungsschutz bereits seit längerer Zeit erhoben und in den bisherigen juristischen Auseinandersetzungen immer wieder vorgetragen. Das Grundgesetz, so die Argumentation, kenne „keine Differenzierung zwischen den Begriffen ‘Volk’ und ‘Staatsvolk’.“ Die AfD wiederum hatte sich gegen diesen Vorwurf 2021 mit einer von allen Vorständen – und auch von JA-Chef Gnauck – unterzeichneten Erklärung gewandt, in der es heißt, man bekenne sich „vorbehaltslos zum deutschen Staatsvolk als der Summe aller Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen“. Für die AfD gebe es keine „Staatsbürger erster und zweiter Klasse“. Man strebe es jedoch als legitimes und mit dem Grundgesetz vereinbares Ziel an, „das deutsche Volk, seine Sprache und seine gewachsenen Traditionen langfristig erhalten zu wollen“. 

Der Verfassungsschutz hält diese Differenzierung für vorgeschoben. Das „kulturelle“ Identitätsmoment stelle „einen allenfalls untergeordneten, wenn nicht sogar vorgeschobenen Faktor dar, während es tatsächlich um die ‘ethnische’ Identität gehe“, argumentierte das Bundesamt in der Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht Köln. Bezeichnungen wie „Paßdeutsche“ deuten laut Verfassungsschutz auf ein „ethnisch begründetes Volksverständnis“ hin und seien damit „völkisch-nationalistisch“. Die Kölner Richter folgten seinerzeit dieser Argumentation. Belegbar sei der Vorwurf unter anderem am sogenannten „Deutschlandplan“ der Jungen Alternative. Darin heißt es: „Die Migrationspolitik, die wir fordern, setzt an die erste Stelle den kulturellen und ethnischen Erhalt des deutschen Volkes.“

Unterdessen haben die Obleute der Ampel-Fraktionen im Verteidigungsausschuß des Bundestags die AfD-Fraktion aufgefordert, Gnauck aus dem Gremium abzuberufen, dessen Mitglied der Bundestagsabgeordnete seit 2021 ist. Die AfD wies diese Forderung umgehend zurück. Die Partei kündigte an, ein weiteres juristisches Vorgehen gegen die Hochstufung der JA zu prüfen. Die Bundesinnenministerin indes lobte den Verfassungsschutz als „unser wichtigstes Frühwarnsystem“. Gefährlich seien „nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiteten“, so Faeser. Diese Gefahr solle niemand unterschätzen.

 Meinungsbeitrag Seite 2