© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/23 / 05. Mai 2023

Kai Wegner. Der neue Berliner Bürgermeister startete vor 25 Jahren als CDU-Jungkonservativer – was ist davon übrig?
Dynamisch statt deutsch
Harald Fourier

Berlin ist eine linke Stadt. Wer es als Christdemokrat ins Rote Rathaus schaffen möchte, muß mit allen Wassern gewaschen sein. Kai Wegner ist das und es ist ihm gelungen: Nach fast einem Vierteljahrhundert stellt die Union wieder den Regierenden Bürgermeister.

Sein vor 22 Jahren gestürzter CDU-Vorgänger Eberhard Diepgen kam persönlich ins Berliner Abgeordnetenhaus, um die Wahl Wegners zu verfolgen. Diepgen kennt den 50jährigen Versicherungskaufmann und Geschäftsführer aus Spandau noch als Chef der Jungen Union Berlins. Damals beschrieben ihn Weggefährten als „rechten Hardliner“, der in der Leitkultur-Debatte des Jahres 2000 die multikulturelle Gesellschaft ablehnte, einen Auftritt Jörg Haiders in Berlin besuchte, in einer Rede forderte, „endlich ein gesundes Verhältnis zur Nation zu entwickeln“, und 2001 mit dem Wahlkampfmotto „Dynamisch Demokratisch Deutsch“ ins Abgeordnetenhaus einzog. Zwanzig Jahre später plädierte Wegner dafür, Hans-Georg Maaßen müsse Mitglied der CDU bleiben, wofür ihm sein Landesparteifreund Mario Czaja öffentlich einen „riskanten Rechtskurs“ vorwarf. 

Selbst die taz nahm Wegner gegen den Vorwurf in Schutz, rechts zu sein, und stellte ihm einen Persilschein aus.

Inzwischen betreibt Czaja als Generalsekretär der Bundes-CDU den Parteiausschluß Maaßens. Was sagt Wegner dazu? Nachdem der Ex-Verfassungsschutzchef in einem Interview eine „rot-grüne Rassenlehre“ angeprangert hatte, verkündete der Berliner CDU-Chef, Maaßen habe „eine Grenze überschritten“ und „in der CDU nichts mehr zu suchen“. Tatsächlich nahm selbst die taz Wegner gegen den Vorwurf in Schutz, rechts zu sein, und stellte ihm einen Persilschein aus: Schon früh sei er für einen „pragmatischen“ Umgang mit der PDS, schwarz-grüne Koalitionen und die „Homo-Ehe“ gewesen.

Im Wahlkampf 2023 inszenierte Wegner sich folglich nur noch als Macher, der „anpackt und zuhört“ – für die konservative Klientel mußte seine Darstellung als Familienvater mit Kindern und Hund reichen. Zwar warb die CDU mit Sprüchen aus dem AfD-Baukasten („Was Kriminelle bald häufiger hören: Haftbefehl“), doch versichert Wegner stets, daß die Partei für ihn indiskutabel sei. 

Zum Wahlsieg verhalfen ihm der Umstand, daß auch hartgesottene SPD-Wähler es irgendwann satt haben, daß in ihrer Stadt nichts zu funktionieren scheint, sowie die Randale in der Berliner Silvesternacht. Medienwirksam hatten CDU-Abgeordnete anschließend nach den Vornamen der Tatverdächtigen gefragt. Doch kassierte Wegner das Thema wieder und twitterte: „Zu Berlin gehört Mehmet ebenso wie Michael.“

Um zu regieren, macht er nun viele Zugeständnisse: Von Queer-Beauftragten in allen Bezirken über milliardenschwere Klimapakete bis zu einer Rassismus-Kommission, wimmelt es im Koalitionsvertrag von linken Prestigeprojekten. Doch statt dem wenigstens eine konservative Personalie entgegenzusetzen, beruft er Joe Chialo zum Kultursenator. Der Sohn afrikanischer Diplomaten in Bonn, Musikmanager und Ex-Grüne hat klargemacht, daß er seine Aufgabe offenbar nicht darin sieht, christdemokratische Kulturpolitik zu betreiben, sondern umgekehrt, „in der CDU Türen aufzustoßen“, damit das, „wofür Berlin steht, eine bunte vielfältige Gesellschaft, auch in der Union“ ankomme.

Das zeigt, daß es neben dem ehemals konservativen einen weiteren Kai Wegner gibt, den andere frühere Weggefährten als karrieristisch und opportunistisch beschreiben.