Herr Müller, ist Ihnen die JUNGE FREIHEIT zu langweilig?
Florian Müller: Nein, aber ...
Ja?
Müller: ... also etwas angestaubt sind Sie schon.
Morgen früh, sieben Uhr! Wer sind Ihre Sekundanten?
Müller: Nach Berlin reise ich grundsätzlich nicht. Ich verstehe ja, daß die JF – und das gilt für alle Publikationen des rechten politischen Lagers – die traurigen Tatsachen in Deutschland benennen muß. Aber können Sie nicht dennoch versuchen, ein bißchen weniger rumzuunken? Und warum muß das alles immer so text- und kopflastig sein?
Wie hätte es der Herr denn gern, kleingeschnitten und vorgekaut?
Müller: Wir leben nun mal in einer Zeit, in der alles schnell gehen muß, die Aufmerksamkeitsspanne kürzer wird, sowie in einer Art Infantilisierung: Unbedarftheit und Kindlichkeit zünden. Die Grünen begeistern mit ihren verträumten Idealen plötzlich auch ältere Leute, die eigentlich eher faktenorientiert sind. Unser Lager ist dagegen sehr ernst geworden, was man ihm auch kaum verübeln kann, haben sich die letzten Jahrzehnte doch nicht zu unseren Gunsten entwickelt. Doch es hilft nichts, junge Leute muß man abholen, wo sie sind. Und das sollten wir Konservativen und Freiheitlichen endlich lernen.
Lassen Sie mich raten: natürlich von Ihnen.
Müller: Von den Linken, die machen es vor! Sie sind zum Beispiel grafisch und ästhetisch sehr stark.
Na ja ...
Müller: Haben Sie sich mal linke Flugblätter an den Unis angesehen?
Klar, kenn ich. Bleiwüsten in verstiegenem Ideologie-Sprech.
Müller: Was? Wie alt sind Sie?
Ich stelle hier die Fragen.
Müller: Heute jedenfalls sind sie oft viel besser als das, was unsere Seite produziert! Und warum? Weil die meisten Rechten der Vorstellung verhaftet sind, allein mit den besseren Argumenten ließen sich die anderen überzeugen. Doch käme es darauf an, dann hätten wir die Linken längst besiegt! Statt dessen aber sind sie es, die ihre psychisch völlig gestörten Inhalte den Leuten als normal unterjubeln – einfach indem sie sie gekonnt verpacken. Aber weil ich Sie oben offenbar in der Ehre gekränkt habe: Die junge freiheit ist ja prinzipiell eine gute Zeitung.
Sprechen Sie ruhig weiter!
Müller: Ich habe die JF immer gern gelesen, und mit Ihrer nun gestarteten Online-Offensive sind Sie auch genau auf dem richtigen Weg! Ich finde sehr ansprechend, was Sie da machen. Aber wer jung ist, der hat nun mal Hummeln im Hintern.
Soll heißen?
Müller: Daß man Informationen und Fakten nicht nur gut aufzukochen hat, bis sie wirklich gar und verständlich sind, sondern sie dann auch appetitlich und ansprechend anrichten muß, und zwar indem man sie mit einem guten Schuß Humor dekoriert und an der richtigen Stelle politisch provoziert.
Und wo hat der Chef de Cuisine das Rezept her?
Müller: Man muß sich klarmachen: Wer heute jung ist, hat ein normales Deutschland, so wie Sie es wohl noch erlebt haben, gar nicht mehr kennengelernt. Statt dessen sind die Jungen hineingeboren in diesen völlig verrückten Status quo: Schulklassen bestehen zur Hälfte aus Migranten, Mitschüler planen, ihr Geschlecht umoperieren zu lassen, und dauernd wird gepredigt, der Weltuntergang sei nah. Was junge Leute da brauchen, ist kein Klagen über einen Verfall, den sie selbst ja gar nicht als solchen wahrnehmen, weil sie es gar nicht anders kennen, sondern ein Bild von einem Deutschland, das auch anders sein kann, und von Werten, die nicht Moden unterliegen, sondern die überzeitlich, ewig gültig sind. Und das ist das, was wir zu verkörpern versuchen.
Und wie viele Hefte bringen Sie so an den Mann?
Müller: 2017 haben wir die Krautzone gegründet, und Ende des Jahres hatten wir zwölf Abos. Man wurde von Bekannten und Verwandten angeschaut, als wäre man ein bißchen weich im Kopf. Das hat sich geändert. Heute sind es 1.100 Abos und etwa 800 Einzel- und Kioskverkäufe pro Heft sowie eine Internetseite mit 1.000 bis 1.500 Zugriffen pro Tag. Anfänglich hat uns etwas überrascht, daß allerdings auch ältere Leser die Krautzone abonnieren.
Das Heft wirkt allerdings, als hätten Sie die Rezeptesammlung des linken „Katapult-Magazins“ geplündert.
Müller: Obwohl immer wieder vermutet, haben wir uns nicht bei Katapult bedient. Die Ähnlichkeit ist vielmehr Folge dessen, daß wir auch viel mit teils großformatigen Diagrammen und Schaubildern arbeiten, um Informationen stärker visuell anschaulich zu vermitteln, statt wie üblich vor allem auf Text zu setzen. Dafür habe ich damals viel herumexperimentiert, mit Schriften, Farben etc. Dabei haben sich gewissermaßen Gesetzmäßigkeiten herausgestellt hinsichtlich dessen, was heutzutage ankommt. Zum Beispiel assoziiert man nüchterne Schriftarten, gedeckte Farben und gerade Linien eher mit einem „trockenen“ Inhalt. Daher die bunten Farben, die mit Grafiken „übersimplifiziert“ dargestellten Fakten und die verspielten Elemente, die sich aus den gleichen Gründen eben auch in Katapult finden.
Warum der Titel „Krautzone“?
Müller: Natürlich weil wir etwas gesucht haben, das sich mit „KZ“ abkürzen läßt ... Das hat man uns tatsächlich schon unterstellt! In Wirklichkeit fanden wir es einfach witzig, mit der bei Amerikanern und Briten für Deutsche gebräuchlichen Bezeichnung „Krauts“ und dem Begriff „Grauzone“ zu spielen.
Ist „Krautzone“ als Metapher für Deutschland gemeint?
Müller: Was? Nein, so weit haben wir dabei nicht gedacht, dafür war es schon zu spät am Abend.
Es war doch nicht etwa Alkohol im Spiel?
Müller: Sagen wir, es war schnapsig.
Reut einen nicht meist morgens, was einem an solchen Abenden so alles in den Sinn gekommen ist?
Müller: Na ja, so schlimm war es nicht, und wir haben das dann auch schon noch mal in Ruhe durchgesprochen.
Trotz des Erfolgs sagen Sie: „Es war Krieg!“ Warum?
Müller: Nicht, wie man meinen könnte, aus politischen Gründen, also weil wir mit Angriffen und Boykotten kämpfen müßten. Daß Autoren oder Redakteure Repressionen ausgesetzt sind, ist bisher die Ausnahme. Vielmehr mußten wir erfahren, was es heißt, sich in Deutschland selbständig zu machen: Womit man da konfrontiert wird, ist teilweise wirklich absurd! Tatsächlich ist es mit einem Zweifrontenkrieg zu vergleichen: Auf der einen Seite muß man sich am Markt bewähren, auf der anderen Seite steht der wahre Feind: die Bürokratie. Angesichts dieser Erfahrung ist die wirtschaftliche Liberalisierung nun mehr denn je eines meiner politischen Kernanliegen! Und ich zolle jedem meinen Respekt, der es noch wagt, sich in Deutschland selbständig zu machen. Denn quasi jeden Morgen dringt der Staat aufs neue in deine private Sphäre ein, um dir dein Geld oder deine Zeit zu stehlen.
Was ist die Ursache?
Müller: Ich sehe weniger eine Ideologie am Werk, wie manche vielleicht meinen, als vielmehr, entsprechend der sogenannten Österreichischen Schule, die Tendenz eines jeden Staates, sich auszudehnen. Und dem müssen freie Bürger Einhalt gebieten!
Im Gegensatz zur JUNGEN FREIHEIT hat „Krautzone“ einen Schutzpatron: Wer ist Kaiser Chillhelm?
Müller: Entgegen dem üblichen, von Heinrich Manns Roman „Der Untertan“ geprägten Bild war das deutsche Kaiserreich eigentlich ein klassisch liberaler, wenn nicht libertärer Minimalstaat. Etwa wenn man die Staatsquote betrachtet oder die Regularien, die damals herrschten, und das trug dazu bei, daß sich nach 1871 die Gründerzeit entwickelte, es zu Aufschwung und wachsendem Wohlstand kam. Übrigens mit einer Währung, die an den Goldstandard gebunden war und so nicht, wie der Euro heute, inflatorisch ständig entwertet wurde. Es gab also eine Verbindung von wirtschaftlicher Freiheit und konservativen Werten, wie wir sie auch in Krautzone vertreten. Und ein Deutschland, das in Zukunft wieder gesunden wird, könnte sich in gewissen Punkten durchaus am Kaiserreich orientieren – ohne daß wir uns deshalb alle die Pickelhaube aufsetzen.
Stand bei der Umtaufung Wilhelms II. in den coolen Kaiser Chillhelm Peter Schamonis Film „Majestät brauchen Sonne“ Pate?
Müller: Nein, eine frühe Ausgabe der Krautzone widmeten wir dem Thema Monarchie. Und für die Gestaltung des Titelbildes habe ich wieder an allen möglichen Grafikfiltern herumgespielt, bis „Kaiser Chillhelm“ – „to chill“, englisch für „kühl, entspannt“ – herauskam, der uns so gut gefallen hat, daß er unser Logo wurde.
Wie kommt Kaiser Chillhelm bei Leuten jenseits Ihrer Abonnentenschaft an?
Müller: Die finden ihn auch ganz gut.
Aber Wilhelm II. hat offiziell doch einen denkbar schlechten Ruf.
Müller: Das Prinzip von Popkultur ist, daß sie ist, was man dazu macht: Wenn man sich also entschlossen hinter ein Konzept stellt, dann überzeugt es die Leute auch. Und ich habe das Gefühl, dadurch wächst wohl erstmals wieder das Interesse an Wilhelm II., denn ich beobachte bei den jungen Leuten im Netz ein Faible für den Kaiser.
Woher kommt das?
Müller: Genau weiß ich das auch nicht. Womöglich finden sie Chillhelm einfach nur skurril, weil man das wohl Würdevollste der Historie, einen Monarchen, ironisch bricht. Vielleicht steckt dahinter auch die Suche nach einem positiven deutschen Geschichtsbild. Übrigens: Laut aktueller Umfrage hätten 23 Prozent der Deutschen gern wieder ein Königshaus. Werte, von denen die Grünen nur träumen können.
Erste Erfahrungen als Autor haben Sie bei der konservativen Zeitschrift „Blaue Narzisse“ gesammelt, die allerdings 2010 ihre Papierausgabe eingestellt hat und heute ein Online-Magazin ist. Wie kamen Sie sieben Jahre später dazu, eine gedruckte Zeitschrift zu gründen, gibt’s in der Eifel kein Internet?
Müller: Tatsächlich ist es mit dem Internet hier nicht so toll ... Aber das war natürlich nicht der Grund. Mein Eindruck war und ist vielmehr, daß die Welle, alles möglichst nur noch online zu machen, nicht mehr so stark ist wie noch vor zehn Jahren. Natürlich wird das Netz auch künftig immer wichtiger, deshalb haben wir ja eine Online-Seite und bieten auch einen Podcast an. Aber zugleich beobachte ich einen gewissen Wunsch nach Entschleunigung, zumindest bei einem Teil der Menschen. So daß es genug Leser gibt, die sich bewußt für ein gedrucktes Magazin entscheiden, auch um sich dem hektischen Internet zu entziehen. Und tatsächlich wachsen ja nicht nur wir, sondern etwa auch das erwähnte Katapult oder der linke Freitag. Die interessante Frage also ist, warum gelingt das manchen Blättern und den übrigen nicht?
Ich verkaufe Ihnen meine Großmutter, wenn Sie mir das Geheimnis verraten!
Müller: Letzten Endes muß man einfach eine gute Druckausgabe machen, die die Leute überzeugt.
Trägt sich „Krautzone“ denn wirtschaftlich?
Müller: Ich mache zwar noch Nebenjobs, kann aber als Chefredakteur davon leben. Außer den Autorenhonoraren können wir eine Bürokraft bezahlen und haben auch einen nebenberuflichen Online-Redakteur – sprich, erfreulicherweise inzwischen ja.
Sie haben zu Beginn gesagt, „Krautzone“ soll jungen Menschen Mut machen. Aber ist das etwa angesichts der sich immer mehr zu einer Art sozialen Diktatur verdichtenden woken Ideologie nicht Pfeifen im Walde?
Müller: Nein, denn der Anteil der sich zu konservativen Werten bekennenden jungen Leute nimmt zu, wie regelmäßig die Shell-Jugendstudie belegt. Vor zwanzig Jahren war man gegen die Linken, weil die etwa die Steuern erhöhen wollten, heute ist man es aus viel konkreteren Gründen: weil Kindergartenkinder mit politischer Ideologie belästigt werden, man nicht mehr frei seine Meinung äußern darf, selbst objektive Tatsachen wie Mann und Frau diskutieren muß etc. Das macht mehr und mehr Menschen bewußt, daß etwas ganz gehörig falsch läuft.
Aber gleichzeitig werden Kinder heute erstmals seit 1945 beziehungsweise 1989 wieder vom Kindergarten bis in die Uni umfassend indoktriniert. Wird die Zahl der Linken dadurch nicht Jahr um Jahr wachsen?
Müller: Es stimmt: Als ich 2010 Abitur gemacht habe, war der Schulunterricht weitgehend unpolitisch. Das hat sich radikal geändert. Doch ich glaube nicht, daß das zu einer relevanten Erhöhung des linken Anteils unter den Jungen führt – wohl aber zu einer wachsenden Gegenreaktion, weil sich mehr und mehr Jugendliche genervt fühlen. Das Problem ist allerdings, daß die Mehrheit dieser Leute dennoch weiter die Altparteien wählt, weil die AfD stigmatisiert ist. Und dennoch: Bei der Bundestagswahl etwa haben die Erstwähler mit je circa 25 Prozent am meisten Grüne sowie den unter den Etablierten größtmöglichen Antagonisten, die FDP, gewählt, die damals zum Beispiel damit geworben hat, eine Impfpflicht abzulehnen. Die mediale Darstellung, „die Jugend“ sei pauschal linksgrün, ist ein Inszenierung.
Allerdings ist aus dem Antagonismus der FDP nach der Wahl in vielen Fällen Kollaboration geworden.
Müller: Auch das stimmt, aber glauben Sie doch nicht, daß das ohne Reaktion bleibt! Der Verrat der FDP am Wähler wird die Zahl der Bürger, die aufwachen, nur noch erhöhen. Die Ampel-Politik ist inzwischen derart bürgerfeindlich, Stichwort Heizungshammer, daß es für die Linken fast schon besser wäre, die FDP würde viel mehr verhindern. Denn dann müßte die Linke behutsamer vorgehen, was auch die Gegenreaktion abflacht. So aber erschaffen sich die Linken nur eine immer größere Opposition, von der zudem ein stetig wachsender Teil bei uns ankommen wird.
Florian Müller, ist Mitgründer und Chefredakteur des „feinen Heftchens“ (Eigenbeschreibung) Krautzone. Das Magazin, das zweimonatlich erscheint. 1992 bei Trier geboren, erlangte er Abschlüsse in Geschichte, Politik, Soziologie und Europäischen Studien.