© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/23 / 05. Mai 2023

Beginn der Großen Koalition in Berlin
Posten zählen, die Wähler nicht
Frank Hauke

Es ist zwar nicht das erste Mal, daß es ein Kandidat zum Regierungschef in zwei Wahlgängen nicht schafft, die Koalition hinter sich zu bringen. Aber das Ausmaß der Verweigerung in Berlin – 15 Stimmen fehlten beim ersten Versuch – ist einmalig. Die AfD nennt die Namen ihrer zehn Abgeordneten, die aus „gesamtstädtischer Verantwortung“ und um eine Neuauflage von Rot-Grün-Rot zu verhindern, beim dritten Anlauf für CDU-Mann Kai Wegner stimmten.

Was sie nicht sagt: Dahinter steckt das Kalkül auf bundesweite Empörung. Und das ist ihr geglückt. Ein Berliner Boulevardblatt titelte zum Foto des den Eid leistenden neuen Regierenden Bürgermeisters: „So wahr mir die AfD helfe“.  Der dankt nicht etwa, sondern beschimpft die Opposition für ihre Wahl als „Demokratiefeinde“. Schließlich hat er sich mit der parteilosen Felor Badenberg die „AfD-Jägerin“ des Verfassungsschutzes in den Senat geholt. Wie kaum eine zweite steht sie für den staatlichen „Kampf gegen Rechts“.

Auch der Koalitionsvertrag von CDU und SPD liest sich wie ein rot-grünes Regierungsprogramm. Eigene Akzente setzt die Union nicht. Sie bleibt eine reine Machtpartei, für die Posten alles und die Interessen ihrer Wähler nichts zählen. Insofern kann die AfD ihr Argument von der „gesamtstädtischen Verantwortung“ streichen. Den neuen linken Senat vom ersten Tag an in Verruf zu bringen ist ihr aber gelungen.