© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/23 / 28. April 2023

Umwelt
Markus und der Wolf
Tobias Dahlbrügge

Nach 150 Jahren ist Deutschland wieder ein Wolfsland: Aktuell gibt es laut Wolfsmonitor (DBBW) 173 Rudel, die sich mit zahlreichen Paaren und Einzelgängern auf eine Gesamtpopulation von 1.550 bis 2.700 Tieren summieren. Schweden, flächenmäßig ein Viertel größer, aber mit 10,5 Millionen Einwohnern nur dünn besiedelt, reduziert dennoch seine geschätzt 460 Wölfe: Seit Januar sind insgesamt 75 Isegrim zum Abschuß freigegeben – trotz des Protestes von Tierschützern. In Deutschland sorgt die naiv-romantische „Willkommenskultur“ für Canis lupus weiter für unkontrollierten Zuwachs; reglementiert werden dagegen Weidetierhalter und Jäger. Die Zahl der Nutztierrisse (2021: 3.374) steigt, und in der bayerischen Rhön haben Wölfe das dort seit 1970 heimische Muffelwild inzwischen vollständig ausgerottet. Das will Landesvater Markus Söder nicht mehr hinnehmen: Vorige Woche kündigte er die vereinfachte „Entnahme“ von „Problemwölfen“ an. Das sei „die klare gemeinsame Linie der Staatsregierung“, versprach der CSU-Chef. Zudem soll der Erhaltungsstatus der Grauhunde als gesichert eingestuft werden. Die DNA-Nachweise sollen entfallen.

Geht es so weiter, dann ist die bayerische Almwirtschaft und Bergweide in wenigen Jahren tot.

Da reiben sich die Nutztierhalter im Freistaat, die aus Verzweiflung über Wolfsrisse bereits aus der Weidehaltung ausgestiegen sind, verdattert die Augen – aber am 8. Oktober wird gewählt. 2018 war die CSU von 47,7 auf 37,2 Prozent abgestürzt. Freie Wähler (FW; 11,6 Prozent) und AfD (10,2 Prozent) wilderten bei der CSU-Stammklientel. Und beim Thema Wolf machen sie auch Druck: Wenn es bei der Bestandsvermehrung „so kommt wie in anderen Wolfsregionen Deutschlands, dann ist die Almwirtschaft und Bergweide in wenigen Jahren tot, und die Tourismusmagnete verlieren massiv an Attraktivität“, warnte Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) – eine Woche vor der Söder-Wende. Grüne, SPD und Umweltgruppen kündigten hingegen Widerstand gegen die Wolfsabschüsse an. Mal sehen, wie lang die Halbwertzeit von Söders markigen Worten ist. Denn auch Meister Petz ist zurückgekehrt: Am 19. April riß im Landkreis Rosenheim ein Bär drei Schafe.


 dbb-wolf.de