Wider jede Vernunft hat die Ampel-Koalition am 15. April die letzten drei deutschen Kernkraftwerke Emsland, Isar 2 und Neckarwestheim 2 vom Netz genommen. Auch Union und Linke waren im Bundestag dafür – weil die AfD für den Weiterbetrieb (Gesetzentwurf 20/6189) und die Reaktivierung von Brokdorf, Grohnde und Gundremmingen C war und die Beschaffung neuer Brennelemente (Antrag 20/6190) forderte. So geht derzeit Politik zum Wohle der Bürger Deutschlands. Die sechs Reaktoren lieferten 2021 im Schnitt 13,3 Prozent des deutschen Stroms. Im Jahr 2000 produzierten 19 große und mittlere Reaktoren sogar noch 29,5 Prozent der elektrischen Energie.
Schon in der Nacht auf den 16. April ersetzten vor allem Stromimporte aus den deutschen Nachbarländern den Leistungsausfall – nach Berechnungen der Londoner Marktbeobachtungsplattform ICIS wird das künftig auch so bleiben. In den nächsten zwölf Monaten müssen die nun fehlenden 30 Terawattstunden (TWh) Atomstrom zu zwei Dritteln durch Import aus dem Ausland ersetzt werden. Allein die Stromimporte aus Frankreich werden sich auf acht TWh erhöhen. Das sind zu 70 Prozent Atomstrom. Liefern auch tschechische Kraftwerke, wie etwa in der Nacht vom 23. auf den 24. April, dann kommt von dort zu 80 Prozent ein Mix aus Kohle- und Atomstrom. Und während in Niederbayern mit Isar 2 (1.410 Megawatt/MW) nach nur 35 Jahren Betriebszeit der größte deutsche Reaktor heruntergefahren wurde, ging einen Tag später auf der Ostseeinsel Olkiluoto an der finnischen Westküste der leistungsstärkste Reaktor Europas in den kommerziellen Dauerbetrieb – mit Unterstützung der finnischen Grünen. Olkiluoto 3 (OL3) ist ein Europäischer Druckwasserreaktor (EPR) mit einer Nettoleistung von 1.600 MW. Das ist so viel, wie etwa 1.500 Windräder im Durchschnitt leisten. Die drei abgeschalteten deutschen Druckwasserreaktoren sind vom Designtyp „Konvoi“, aus dem vor zwei Jahrzehnten Siemens- und französische Framatome/Areva-Ingenieure den EPR entwickelt haben. Allerdings ist Deutschland längst aus dieser Entwicklungsarbeit ausgestiegen.
Strom aus der Müllverbrennung zur „erneuerbaren Energie“ erklärt
Zwei weitere EPR von je 1.660 MW gingen schon 2018 bzw. 2019 in Taishan in der chinesischen Küstenprovinz Guangdong in Betrieb. Ein weiterer EPR befindet sich in Flamanville in der Normandie in der Inbetriebsetzung – zusätzlich zu den beiden französischen Druckwasserreaktoren von je 1.330 MW, die seit 1985 bzw. 1986 dort laufen. In Südwestengland befinden sich zwei EPR-Blöcke im Bau – Hinkley Point C soll sieben Prozent des britischen Strombedarfs decken und alte Kohlekraftwerke ersetzen. Weltweit sind etwa hundert Kernkraftwerke im Bau oder in der konkreten Planungsphase. Finnland – fast so groß wie Deutschland, aber nur 5,5 Millionen Einwohner – hat nun mit Olkiluoto 1 und 2 (je 880 MW aus schwedischen Siedewasserreaktoren) sowie Loviisa 1 und 2 (je 507 MW aus sowjetischen Druckwasserreaktoren) insgesamt fünf Reaktoren, die etwa 40 Prozent des Strombedarfs decken können.
Robert Habeck hingegen läßt schon stillgelegte Kohlekraftwerke wieder anfahren und erklärt den Strom aus der Müllverbrennung zur „erneuerbaren Energie“, um seine jämmerliche CO2-Bilanz aufzuhübschen. Und damit ja niemand auf die Idee kommt, den 2011 von einem schwarz-gelben Merkel-Kabinett beschlossenen Atomausstieg rückgängig zu machen, läßt sein grünes Wirtschaftsministerium die Kernenergetik aus dem Energieforschungsprogramm des Bundes streichen. Und grüne Verwaltungen sind bemüht, die abgestellten und milliardenteuren Kernanlagen schnellstens unbrauchbar zu machen. Im grünen Jargon heißt das „Fadenriß“, es ist aber vergleichbar mit der Methode der „verbrannten Erde“.
Die EU hat 2022 Gaskraftwerke und die Kernkraft in ihrer Taxonomie als „klimafreundlich“ eingestuft – letzteres gegen den erklärten Willen des Ampel-Kabinetts. Doch selbst dagegen vorzugehen traut sich die Bundesregierung nicht, das übernehmen „grüne“ NGOs: Greenpeace hat vorige Woche ein juristisches Einspruchsverfahren gegen die Aufnahme von fossilem Gas in das EU-Regelwerk für nachhaltige Finanzen eingeleitet. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der WWF, ClientEarth und Transport & Environment (T&E) monieren arbeitsteilig das „Greenwashing“ von Erdgas. Ändere die EU-Kommission ihre Entscheidung nicht innerhalb von 22 Wochen, rufe man den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an, drohten die Umweltorganisationen.
Dabei ist der deutsche Atomausstieg wirklich „Greenwashing“: Er führt mit Sicherheit europaweit zur vermehrten Stromproduktion mit Atom, Kohle und Gas. Auch den Strom aus Müllverbrennung als „erneuerbar“ umzudeklarieren ist ein klassischer Fall von „Greenwashing“. Die ganz große Koalition aus CSU/CDU/FDP/Grüne/SPD/Linke gibt dennoch vor, dem Spurengas Kohlendioxid den Krieg erklärt zu haben – doch die CO2-Intensität pro Kilowattstunde (kWh) im „Energiewendeland“ liegt laut Electricity Maps derzeit bei 326 Gramm (g) – in den „Atomländern“ Finnland und Frankreich seien es nur 91 g bzw. 34 g.
Mit ihren erratischen Maßnahmen im Kampf um die Welttemperatur können die deutschen Protagonisten keinerlei Erfolge vorweisen. Also strafen sie die Bevölkerung ab und schurigeln sie mit immer neuen Maßnahmen. Heizung, Industrie, Verkehr – fast alles soll auf Strom aus Windrädern und Solarpaneele umgestellt werden. Das ist nicht nur unbezahlbar, es führt zur Deindustrialisierung und sinkendem Lebensstandard. Darüber sprechen die Überwinder der Aufklärung nicht. Doch wenn die Bürger erkennen, daß der Krieg gegen das CO2 längst in einen Krieg gegen sie selbst gemündet ist und wenn den subventionsfreudigen Energiesozialisten das Geld der Anderen ausgeht, dann läuft das Faß über. Man sagt ja den Deutschen nach, daß sie eine lange Leitung haben, aber eine kurze Lunte.
EPR-Reaktoren in Finnland und China: