Auf einer alten LP mit „Liedern der Jungenschaft“, die noch Ende der 1980er Jahre produziert wurde, verblüfft nicht nur die große Zahl von Bünden, die beteiligt war, sondern auch die Einheitlichkeit des Stils, und die Aufnahme eines Titels wie „Wir sind des neuen Reiches Reiter“, der heute sicher meldepflichtig ist. Allerdings soll dieser „Jungenschafts-Reißer“ (Helmut König) einmal Ausdruck bündischer Opposition gegen die HJ gewesen sein, der entgegengeschmettert wurde: „Hojo, die Jungenschaft erhebt sich, hojo, die Jungenschaft greift an!“
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„Schade, daß man nicht hundertfünfzig Jahre lebt! Schließlich würde man den Lumpen und Crétins gegenüber doch recht behalten!“ (Hector Berlioz)
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Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland in besonderer Ausführung: Früher ging das Spottwort, es gebe erdiente, erdinierte und erdienerte Orden. Von ganz unverdienten war keine Rede, aber die Sache verstand sich von selbst.
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Als nach der Niederlage Frankreichs von 1871 in der deutschen Öffentlichkeit die Forderung erhoben wurde, die gegnerische Führung – den abgedankten Kaiser Napoleon III. samt seinen „Helfershelfern“ – wegen Vorbereitung und Durchführung eines Angriffskrieges und zahlreicher Kriegsverbrechen vor ein deutsches Gericht zu stellen und entsprechende Überlegungen sogar in der Times Widerhall fanden, reagierte Bismarck mit folgender Feststellung: „Wir teilen diese Ansicht in keiner Weise. Allerdings ist die öffentliche Meinung nur zu sehr geneigt, daß bei Konflikten zwischen Staaten der Sieger sich mit dem Moralcodex in der Hand über den Besiegten zu Gericht setzt. Ein solches Verlangen ist aber völlig ungerechtfertigt. Es stellen heißt, die Natur der politischen Dinge, unter welche die Begriffe Strafe, Lohn, Rache nicht gehören, gänzlich mißverstehen, ihm entsprechen, heißt, das Wesen der Politik fälschen.“
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Die Irritation darüber, daß sich die CDU-Basis bei der Mitgliederbefragung als konservativer denn die Führung erwies, ist schnell verschwunden. Das mag mit der Entschlossenheit der „Bonzen“ (Kohl dixit) zusammenhängen, nach eigenem Gusto fortzufahren, oder damit, daß an diesem Sachverhalt seit den 1970er Jahren nie ein Zweifel bestand. Bei einer Erhebung zur politischen Selbsteinschätzung unmittelbar nach der Wiedervereinigung verorteten sich 74 Prozent der CDU-Anhänger in der Mitte, 16 Prozent auf der Rechten, 10 Prozent machten keine Angabe. Interessanter als das war allerdings die Feststellung, daß sich auf einer Skala von „1“ bis „10“, wobei „1“ für die Linke, „10“ für die Rechte stand, die CDU-Klientel bei „7“ sah, während die Parteielite bei „6,7“, die Politiker der Union bei „6“ standen. Seither dürfte diese Diskrepanz eher größer als kleiner geworden sein. Sie war übrigens im Fall der FDP deutlich geringer, im Fall der SPD deutlich ausgeprägter („4,8“ bei der Anhängerschaft – „4,2“ bei den Funktionären – „3,7“ bei den Politikern). Die entscheidende Ursache für die Linksdrift der Parteieliten ist darin zu sehen, daß sie sich weniger als Repräsentanten der eigenen Basis, eher als Avantgarde betrachten. Wenn die in den modernen Massenparteien immer stärker auf Abstand zu den eigenen Leuten gehen, hat das ganz wesentlich mit einem Professionalisierungsschub innerhalb des Parteimanagements zu tun, der Beeinflussung ihrer Weltbildes durch die universitäre Lehre und die Vorstellungen urbaner Meinungsmacher, aber auch mit dem Bedeutungsverlust der gesellschaftlichen Organisationen, auf die man sich ursprünglich gestützt hatte. Der betraf im Fall der Union das katholische Verbandswesen, das nach und nach marginalisiert wurde, aber auch die Landsmannschaften, die bäuerlichen Interessenverbände oder die Repräsentanten des Mittelstands und ganz allgemein die einflußreichen städtischen oder dörflichen Honoratioren, die sich nie in derselben Weise organisieren und ausrichten ließen wie eine amorphe „Mitgliederpartei“.
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Republikanische Abgeordnete im US-Kongreß werfen dem FBI vor, verdeckte Ermittler in verschiedenen katholischen Gemeinden, vor allem solchen traditioneller Richtung, plaziert zu haben. Gerechtfertigt werde das Vorgehen mit der Behauptung, man wolle „verdächtige Aktivitäten“ – wie etwa die Verwendung des Lateinischen in der Liturgie – im Auge behalten, aber auch Warnungen in bezug auf die Einflußnahme von Gruppierungen wie der Pius-Bruderschaft aussprechen. – Das erinnert an das Frankreich vor der Dreyfus-Affäre, als hinter die Namen konservativer Offiziere der Vermerk „Va à la messe“ – „Geht zur Messe“ – gesetzt wurde, um politische Unzuverlässigkeit festzuhalten.
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„Und was mich die Entthronung des Intellektuellen voraussehen ließ, war die Beobachtung, … daß die Intellektuellen den furchtbaren Irrtum begangen hatten, eine Kultur für Intellektuelle und nicht für die übrigen Menschen zu schaffen.“ (José Ortega y Gasset)
Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 12. Mai in der JF-Ausgabe 20/23.