© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/23 / 28. April 2023

Beginnt in Luthers Kirche die Kernschmelze?
Austritte auf Rekordhoch
(dg)

Ein Schock ist es schon“, räumt Reinhard Mawick, der Chefredakteur der EKD-Zeitschrift zeitzeichen (4/2023), ein: „2022 haben 380.000 Menschen ihren Austritt aus der evangelischen Kirche erklärt.“ So viele wie nie zuvor. Das habe mehrere Gründe, doch einen will der Theologe Mawick von vornherein ausschließen: die rot-grüne Schlagseite des Kirchenpersonals. Damit ließen sich vielleicht manche Austritte erklären, aber dem Lager dieser Kritiker hielten doch jene progressiven Christen die Waage, denen Luthers Kirche noch nicht „woke“ genug sei. Ansonsten verweist Mawick auf die üblichen Verdächtigen, die „Megatrends“ Säkularisierung und Individualisierung. Die sich jetzt allerdings mit dem Austrittsrekord einem Kipp-Punkt zu nähern scheinen. Habe damit die „kirchliche Kernschmelze“ begonnen, gehe es in Zukunft nur noch bergab? „Möglicherweise“, da der Religionssoziologe Detlef Pollack auf der Basis einer Studie der Deutschen Bischofskonferenz von 2018 prognostiziere, die Mitgliederzahler der beiden großen Kirchen würden sich bis 2060 nochmals halbieren – „optimistisch geschätzt“. Wie diese bittere Entwicklung aufzuhalten sei, wisse niemand. Aber sicher wäre es nicht ratsam, den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen auszudünnen oder die Wirkung des schulischen Religionsunterrichts weiterhin zu unterschätzen. Ansonsten gelte Martin Luthers „güldener Satz“, daß weder wir noch unsere Vorfahren und Nachkommen es sind, „die da die Kirche erhalten könnten, sondern der ist’s gewesen, ist’s noch und wird’s sein, der da sagt: ‘Ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Welt’“. 


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