Wenn man von allen Applaus bekommt, ist Vorsicht angezeigt. Vielleicht ist man in allzu populistisches Fahrwasser geraten. Das trifft jedenfalls auf das neue steuerpolitische Konzept der CDU zu. Noch ist es nur ein Vorschlag der Programmkommission „Wohlstand“. Es geht dabei eher um Umverteilung, nicht um Wohlstandsschaffung. Der Mittelstand und untere Einkommen sollen entlastet werden. Dazu will man die Einkommensgrenze anheben, ab welcher der Spitzensteuersatz von 42 Prozent gilt. Aktuell beträgt sie 62.810 Euro, bei Verheirateten das Doppelte. Dies führt zu niedrigeren Steuersätzen für alle, die darunterliegen. Zum Ausgleich will die CDU den Spitzensteuersatz für diejenigen anheben, die noch besser verdienen. Das sind derzeit vier Millionen Steuerpflichtige. Sie müßten dann 45 Prozent oder mehr von jedem zusätzlich verdienten Euro an den Fiskus abführen.
Hauptleidtragende bei dieser Reform wären Selbständige und Familienunternehmen. Sie ächzen sowieso schon unter den Lasten von Corona, steigenden Energie- und Lohnkosten und einer Klimapolitik, die ihnen geradezu ruinöse Kosten und Pflichten auferlegt. Und als wäre das noch nicht genug, will die von Jens Spahn geleitete Kommission sie auch noch bei der Erbschaftsteuer stärker schröpfen. Bisher profitieren viele Mittelständler von der „Lohnsummenklausel“. Demnach wird ihnen die Nachlaßsteuer weitgehend erlassen, wenn sie den Betrieb mindestens fünf Jahre mit unverminderter Lohnsumme weiterführen. Damit soll nun Schluß sein: Die CDU will einen einheitlichen Erbschaftsteuersatz von zehn Prozent auf alles erheben. Das Gesamtaufkommen elf Milliarden Euro pro Jahr würde gleichbleiben, aber für viele kleinere Firmen käme unter dem Strich eine erhebliche Mehrbelastung heraus. Die Spahn-Kommission findet das alles einfacher und gerechter. Sie erntet damit viel Beifall, selbst bei linken Politikern und Medien. Aber auch der Bund der Steuerzahler und das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) können dem Konzept durchaus etwas abgewinnen. Immerhin will die CDU ja auch den Solidaritätszuschlag und die Gewerbesteuer abschaffen.
Dafür bringt sie einen kommunalen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer ins Gespräch. Das ist vernünftig, denn es würde den Föderalismus stärken und Firmen entlasten, nicht zuletzt auch von Bürokratie. Aber insgesamt sollte für sie eben eine fiskalische Entlastung und keine Mehrbelastung bei dem ganzen Paket unter dem Strich stehen, findet auch das IW. Immerhin zahlten deutsche Firmen im Schnitt 30 Prozent Steuern, verglichen mit nur 23 Prozent im Durchschnitt der OECD. Von niedrigeren Unternehmenssteuern steht aber kein Wort im CDU-Papier. Stattdessen findet man dort populistischen Unfug wie eine Geburtenprämie von 10.000 Euro pro Kind oder alternativ 100 Euro pro Monat bis zum 18. Lebensjahr. Das soll der Vermögensbildung dienen, wirkt aber eher wie eine Anbiederung an grüne Volksversorgungsideen.
Zu befürchten steht auch, daß von den Plänen zur Steuervereinfachung in der Praxis nicht viel übrigbleiben wird. An der Abschaffung von Gewerbesteuer und Soli haben sich schon andere die Zähne ausgebissen. Steuererhöhungen für „Reiche“ finden dagegen im Bundestag immer eine Mehrheit. Die CDU hätte die Finger von dem Thema lassen sollen.
Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Wilhelms-Universität Münster.