Die anstehenden Parlaments- und Präsidentschaftswahlen am 30. April könnten Paraguay einen beinah historischen Regierungswechsel bescheren. Bis auf einen kurzen Ausreißer zwischen 2008 und 2012 wird das Land seit 1948 kontinuierlich von der Mitte-Rechts-Partei des Nationalen Republikanischen Bündnisses regiert. Die ehemalige Staatspartei unter Diktator Alfredo Stroessner, die traditionell als Partido Colorado (PC) bezeichnet wird, konnte ihre Macht auch nach dem Ende der Diktatur behalten und gilt als einflußreich und mächtig im Binnenland zwischen Bolivien, Argentinien und Brasilien.
Jahrzehntelang galt: Wer es in der Hauptstadt Asuncion zu etwas bringen will, muß sich in der Partei hochdienen. Auch auf dem Land ist ihr Einfluß groß; in dem katholisch geprägten Land sind die Interessen von Partei, Kirche, Wirtschaft und Staat häufig eng verflochten. Führende Politiker der PC bekräftigen dies regelmäßig mit Bekenntnissen zu christlichen Werten und zu einer offenen Marktwirtschaft.
In Paraguay, einem Land etwa so groß wie die Bundesrepublik und geprägt von Feuchtgebieten im Norden, einer Savannenlandschaft im dünn besiedelten Osten und den träge dahinfließenden Wassern des Rio Parana und des Rio Paraguay, scheint die politische Welt des Kontinents stehengeblieben zu sein. Während die Auseinandersetzung mit der Militärdiktatur der Vergangenheit in Chile, Argentinien oder Brasilien durchaus lebhaft und durch wechselnde Regierungen geführt wurde, sind in Paraguay nahezu durchgehend die gleichen politischen Charaktere am Werk.
Doch nun stehen die Zeichen der Zeit auf Wandel. Mitverantwortlich dafür ist auch die internationale Geopolitik. Wenn der aussichtsreiche Oppositionskandidat Efraín Alegre eines Mitte-Links-Bündnisses, der Concertación para un Nuevo Paraguay (Koalition für ein neues Paraguay) etwa davon spricht, die „riesigen Märkte Chinas“ für die Agrargüter seines Landes öffnen zu wollen, dann hat das Symbolwirkung. Denn die Regierung in Asuncion gehört zu den wenigen Ländern auf der Welt, die die Regierung in Taiwan als alleinige Vertretung Chinas anerkennen. Santiago Peña hingegen, der Kandidat der Regierungspartei sieht den außenpolitischen Spielraum Paraguays durch das „Dreieck Washington, Jerusalem und Taipei“ geprägt. Ein deutliches Bekenntnis zu den mächtigen USA, das nicht nur im scharfen Kontrast zur brasilianischen Regierung, dem mit Abstand wichtigsten paraguayischen Handelspartner, steht, sondern von Washington auch kaum gedankt wird.
Im Gegenteil, gegen den Parteivorsitzenden von Peñas Partei, den mächtigen Unternehmer und ehemaligen Präsidenten Horacio Cartes, verhängte die US-Regierung ein Einreiseverbot. Ihm wird vorgeworfen, ein weitverzweigtes Schmuggelnetzwerk zu betreiben – mit Verbindungen zu kommunistischen Guerillas, der Hisbollah und Kokainkartellen.
Wenig überraschend beherrscht also das Thema der Korruption den Wahlkampf in dem Agrarstaat. Aktuelle Umfragen sehen dabei den Herausforderer Efraín Alegre mit guten Chancen auf einen Wahlsieg.
Vor diesem Hintergrund wies Präsident Mario Abdo Benítez (PC) am Montag die Bürger darauf hin, daß der Fortschritt Paraguays nicht durch bestimmte Positionen unterbrochen werden dürfe, und wiederholte die Aufforderung an die Bürger, zur Wahl zu gehen. Vor allem wirtschaftlich kann die PC-Regierung gute Zahlen vorweisen. Die paraguayische Wirtschaft wird im Jahr 2023 mit 5,2 Prozent das höchste Wachstum in Lateinamerika verzeichnen, so die jüngste Prognose der Weltbank.