© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/23 / 28. April 2023

Nichts wie weg hier
Bewaffneter Auslandseinsatz: Die Bundeswehr hat erfolgreich deutsche Staatsbürger aus den Bürgerkriegswirren im Sudan evakuiert
Christian Vollradt

Deutsche Staatsbürger in unerwarteten Krisenfällen im Ausland zu schützen, ist staatliche Pflicht. Zuständig dafür ist das Auswärtige Amt (AA) mit seinem Krisenzentrum; bei erhöhter Bedrohungslage ist es Aufgabe der Bundeswehr, die notwendige Operation zu führen. Ihre darauf spezialisierten Kräfte üben entsprechende Szenarien und stehen permanent in Bereitschaft. 

Ende vergangener Woche hat die Truppe begonnen, Deutsche und Bürger befreundeter Staaten aus dem Sudan auszufliegen. Am Dienstag kündigten AA und Verteidigungsministerium den vorerst letzten Flug an. Bis dahin waren 490 Personen, darunter 179 Deutsche, in Sicherheit gebracht worden. Die Evakuierten wurden mit Transportflugzeugen vom Typ A400M zunächst nach Jordanien gebracht. Immer mit an Bord der im niedersächsischen Wunstorf stationierten Luftwaffenmaschinen: Fallschirmjäger des Heeres und Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK).

Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte im Ausland muß grundsätzlich vom Parlament mandatiert werden. Weil aufgrund der nur durch eine brüchige Waffenruhe unterbrochenen Gefechte zwischen sudanesischer Armee und paramilitärischen Kräften im der Hauptstadt Khartum quasi „Gefahr im Verzug“ herrscht, hat der Bundestag den Einsatz im nachhinein legitimiert.

Solche Operationen sind für die eingesetzten Soldaten alles andere als ungefährlich. Das hatte sich zuletzt an den dramatischen Szenen während der Evakuierung am Flughafen der afghanischen Hauptstadt Kabul im Sommer 2021 gezeigt (JF 36/21). Auch wenn sich die Aufnahmen vom Chaos dort als sinnbildlich für das Scheitern des Afghanistan-Einsatzes ins kollektive Gedächtnis einbrannten, so war die ohne eigene Verluste abgelaufene Operation alles in allem auch aufgrund des professionellen Handelns aller beteiligten Bundeswehrsoldaten ein großer Erfolg.

Erstes Gefecht der Bundeswehr während einer Evakuierung

Daß derartige Fähigkeiten fehlten, hatte die Bundesregierung vor 29 Jahren schmerzhaft zu spüren bekommen. Am 13. April 1994 konnten mitten im blutigen ruandischen Bürgerkrieg, in dem Angehörige der Hutu-Mehrheit fast eine Million Tutsi ermordeten, Mitarbeiter der Deutschen Welle nur dank des Einsatzes belgischer Fallschirmjäger aus dem afrikanischen Land gerettet werden. Dieses Ereignis war schließlich eine Initialzündung für die Aufstellung des KSK der Bundeswehr.

Und nicht zuletzt gilt die – heute zu Unrecht weitgehend vergessene – erste militärische Evakuierung durch deutsche Streitkräfte nach dem Zweiten Weltkrieg auch als das erste Gefecht der Bundeswehr. 1997 war nach einem Finanzkollaps in Albanien die staatliche Ordnung zusammengebrochen. Die Bundesregierung ordnete daraufhin an, die über hundert Personen, die sich in die deutsche Botschaft in Tirana geflüchtet hatten, von in Bosnien stationierten Bundeswehrsoldaten per Hubschrauber evakuieren zu lassen („Operation Libelle“). Bei der Aufnahme der zu Evakuierenden kam es zu chaotischen Szenen, der Einsatzverband unter dem Kommando von Oberst Henning Glawatz mußte das Feuer auf mutmaßliche Aufständische eröffnen. 

Die Rheinische Post berichtete 2011, den an der erfolgreichen Mission beteiligten Soldaten sei anschließend eine Auszeichnung nicht zugestanden worden. Als Begründung sollen Juristen des Bundesverteidigungsministeriums angegeben haben, die „Operation Libelle“ sei selbstverständlicher Teil der SFOR-Mission in Bosnien gewesen.