Herr Frisch, der Untersuchungsausschuß zur furchtbaren Flutkatastrophe im Ahrtal geht langsam zu Ende. Im Laufe der eineinhalb Jahre wurden zahlreiche Mißstände und schwere Fehler von Verantwortlichen aufgedeckt immerhin mußten zwei Minister zurücktreten: Im Vergleich zu anderen war dieser Untersuchungsausschuß also wirkungsvoll – oder nicht?
Frisch: Es gibt in der Bevölkerung ein weit verbreitetes Mißtrauen gegenüber parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Zu oft hat man die Erfahrung gemacht, daß sie ausgehen wie das berühmte „Hornberger Schießen“. Mangelndes Aufklärungsinteresse und politisch bedingte Blockaden haben die Arbeit solcher Gremien häufig behindert und das Erreichen der gesteckten Ziele unmöglich gemacht. Gemessen daran war der Untersuchungsausschuß zur Flutkatastrophe außerordentlich erfolgreich. Es ist uns gelungen, das weitgehende Versagen staatlicher Strukturen herauszuarbeiten, die dahinterstehenden Versäumnisse der beteiligten Akteure aufzuzeigen und die politischen Verantwortlichkeiten dafür aufzuklären. Letzten Endes hat das dazu geführt, daß zwei Minister ihren Hut nehmen mußten. Auch das Image der Ministerpräsidentin wurde erheblich angekratzt. Sie hat sich in der Katastrophe nicht um das Funktionieren ihrer Regierung gekümmert, und sie trägt zudem die politische Verantwortung für das Versagen ihrer Minister und Staatssekretäre. Insofern hat sich dieser Ausschuß tatsächlich als ein scharfes Schwert des Parlamentes erwiesen, obwohl sicherlich nicht alle Erwartungen erfüllt werden konnten.
Wie würden Sie die Atmosphäre in diesem mit weitreichenden Rechten ausgestatteten Gremium beschreiben, gibt es so etwas wie eine überparteiliche Zusammenarbeit, zieht die Opposition da an einem Strang?
Frisch: Leider nein. Wie zu erwarten war, wurden wir als AfD von der CDU als stärkster Oppositionspartei von Beginn an ausgegrenzt. Während die Christdemokraten mit den Freien Wählern in vielen Fragen kooperierten, gab es mit uns keinerlei Informationsaustausch oder gar Absprachen. Irgendwann haben sich die CDU-Obleute dann beschwert, wir würden durch unsere Beweisanträge ihre Strategie torpedieren. Ich habe ihnen daraufhin sehr deutlich gemacht, daß Solidarität keine Einbahnstraße ist. Danach wurde die Kommunikation etwas besser. Am Ende waren sogar Gespräche über inhaltliche Aspekte möglich. Insgesamt bin ich davon überzeugt, daß wir uns durch unsere gute und sachorientierte Arbeit auch bei den anderen Fraktionen Respekt verschafft haben. Immerhin waren wir diejenigen, die durch das Auffinden der Hubschraubervideos aus der Flutnacht den Innenminister zu Fall gebracht haben. Ohne uns wäre er heute wohl noch im Amt.
Worauf haben Sie als AfD-Vertreter im Ausschuß bei den Zeugenbefragungen und Beweisanträgen den Hauptakzent gesetzt?
Frisch: Ganz einfach: Es ging uns stets darum, die Wahrheit herauszufinden. Das war der Auftrag, den das Parlament uns gegeben hatte, und den haben wir so gut wie möglich umzusetzen versucht. Dabei war es uns ein wichtiges Anliegen, die vielen ehrenamtlichen Helfer im Katastrophenschutz, bei der Feuerwehr und den vielen anderen Organisationen der Blaulichtfamilie nicht zu beschädigen. Diese Leute haben in der Flutnacht und in den Wochen danach alles gegeben, Menschen zu schützen und zu retten. Viele haben ihr eigenes Leben riskiert, um anderen zu helfen. Trotzdem mußten wir sie als Zeugen befragen, was nicht immer angenehm für sie war. Bei den politisch Verantwortlichen haben wir bewußt andere Maßstäbe angelegt. Wenn ein Staatssekretär oder eine Ministerin versuchen, dem vom Parlament eingesetzten Untersuchungsausschuß einen Bären aufzubinden, dann muß man auch mal zu härteren Bandagen greifen. Hier haben wir hartnäckig gebohrt und mitunter auch für die Zeugen sehr kritische Fragen gestellt.
Stundenlange Sitzungen, Akten wälzen … das sind die zeitaufwendigen, oft aber nicht sehr öffentlichkeitswirksamen Mühen der parlamentarischen Ebene. Zahlt sich diese Arbeit dennoch aus?
Frisch: Diese Frage würde ich für mich eindeutig mit Ja beantworten. Ich bin als Fraktionsvorsitzender ganz bewußt in den Ausschuß gegangen, um deutlich zu machen, welche Bedeutung die AfD-Fraktion diesem Gremium zumißt. Der damit verbundene immense Aufwand war mir damals in keiner Weise bewußt. Doch wenn ich die Erfolge sehe, die wir erreicht haben, dann hat sich jede Minute gelohnt. Wir konnten zwar die 134 Toten in Rheinland-Pfalz nicht mehr lebendig machen. Aber wir haben den Opfern und ihren Angehörigen durch unsere erfolgreiche Aufklärung ein wenig irdische Gerechtigkeit verschafft und ihnen damit ihre Würde ein Stück weit zurückgegeben. Das ist mehr wert als die öffentliche Wahrnehmung. Im übrigen hat unsere Arbeit im Untersuchungsausschuß eine positive Resonanz gefunden, die wir als AfD im politischen Betrieb ansonsten selten bekommen. Auch insofern hat sich unser Engagement ausgezahlt.
Michael Frisch, Jahrgang 1957, ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Landtag von Rheinland-Pfalz