© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 18/23 / 28. April 2023

Ruud Koopmans. Der renommierte Migrationsforscher zieht durch seine Arbeit den linken Haß auf sich.
Zwei Asse im Ärmel
Moritz Schwarz

Damals, sagt Ruud Koopmans heute, „war ich der Meinung, daß viel Elend auf Unterdrückung, Ausgrenzung und Ungerechtigkeit zurückzuführen ist ... Darüber denke ich jetzt anders.“ Für viele mag die Absage an diese Monokausalität kaum spektakulär klingen, in der Sphäre des linken Diskurses aber hat sie Sprengkraft, bedeutet sie doch nicht weniger als die Aufkündigung des dort geltenden ideologischen Konsens. Das zeigt sich etwa daran, was dem renommierten Soziologen so entgegengeschleudert wird, zum Beispiel vom Spiegel, der ihm bereits 2017 nicht nur „ordinären Rassismus“ attestierte, sondern seine Forschungsergebnisse zudem mit dem Adjektiv „angebliche“ versah, womit sie folglich irgendwo zwischen Scharlatanerie und Volksverhetzung anzusiedeln wären.

Erstaunlicherweise weiß sich Koopmans dennoch zu behaupten, denn er ist nicht nur seit 2007 Direktor der Forschungsabteilung für Migration und Integration am außeruniversitären Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung, sondern seit 2013 auch Professor für Migrationsforschung an der Humboldt-Universität. Dort freilich muß er sich Angriffe einschlägiger Studentengruppen erwehren, die ihm vorwerfen, den „Nährboden für Rassismus“ zu bereiten. 

Warum wurde das Südafrika der Apartheid boykottiert, das wahhabitische Saudi-Arabien heute aber nicht?

Daß Koopmans das gelingt, mag außer an der Qualität seiner Arbeit auch daran liegen, daß er gleich zwei Asse im Ärmel hat, so ist er Ausländer und Linker: Geboren 1961 nahe Amsterdam stand der vom Anarchismus beeinflußte Student den niederländischen Grünen (GroenLinks) nahe – zumindest bis deren Vorsitzender 1994 Verständnis dafür zeigte, Salman Rushdies „Satanische Verse“ zu verbieten. Damals wechselte Koopmans nicht nur nach Berlin, sondern mehr und mehr die Perspektive, kritisierte, daß die Linke bei Einwanderern jeden emanzipatorischen Anspruch vermissen ließ und diese statt dessen per se zu Opfern der hiesigen Gesellschaften erklärte. Koopmans Resultate belegen indes anderes: „Tatsächlich wurzeln die Probleme, die wir in Europa mit dem radikalen Islam haben, zum allergrößten Teil in dessen Heimatländern, wie ich in meinem Buch zeige“, sagte er 2020 im Interview mit dieser Zeitung zu seinem Band „Das verfallene Haus des Islam“, dessen Titel bereits viele als Provokation empfanden. Ähnlich nun mit seinem im Februar erschienenen Neuling „Die Asyl-Lotterie“, dessen Name schon die deutsche „Willkommens“-Politik als zynisches Wettspiel entlarvt, bei dem jenen hierzulande der erste Preis – Asyl – winkt, die nicht unterwegs durch Ermordung, Vergewaltigung, Versklavung, Verhungern, Ertrinken oder Ersticken ausscheiden. 

So gerät Koopmans Kritik an Islam und Einwanderung unfreiwillig stets auch zur Kritik am politisch Korrekten: Warum kümmere uns die Lage von Frauen, Homosexuellen oder „Ungläubigen“ im Islam kaum? Warum habe Rechtsextremismus mit unserer Gesellschaft zu tun, Islamismus aber nicht mit der islamischen? Warum wurde das Südafrika zur Zeit der Apartheid boykottiert, das wahhabitische Saudi-Arabien heute aber nicht?

Doch auch wenn Koopmans vielen deshalb als „rechts“ gilt, tatsächlich ist er ein klassischer Linksliberaler, der grundsätzlich weder den Islam noch Einwanderung ablehnt und Konservatismus kritisch sieht. Daß er dennoch so stigmatisiert wird, zeigt wie weit ein Teil unserer Öffentlichkeit bereits in den Linksextremismus verschoben ist.