© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Kabinenklatsch
Ein Tradionsklub am Ende
Ronald Bertold

Den Fußballverein kann sich niemand aussuchen. Und glauben Sie mir, könnte ich es, wäre ich niemals bei Hertha BSC gelandet. Als Anhänger gibt man sein Schicksal und die Wochenendlaune in die Hände der Mannschaft. Das ist fatal. Man liefert sich aus. Und dann muß ich mir noch die hämischen Kommentare der Anhänger erfolgreicher Klubs anhören. Als wenn ich selbst mitgespielt oder irgendeine Verantwortung für das Totalversagen trüge.

Hertha ist nun Tabellenletzter in der Bundesliga. Und womit? Mit Recht. Ich fürchte, auch der sympathische Pal Dardai, der neue alte Trainer, wird den Klassenerhalt diesmal nicht schaffen. Zuviel liegt im Argen. Auch wirtschaftlich ist der Berliner Traditionsklub am Ende. Kürzlich las ich, daß der Verein nicht einmal mehr genug Geld hat, um seinen Mitgliedern auf der Hauptversammlung Würstchen und Salat zu spendieren. Das muß man erst einmal hinkriegen. 375 Millionen Euro hat Hertha von Lars Windhorst bekommen. Der gute Mann mußte von den Ultras viel Feindseligkeit ertragen. Mir tut er leid. Da gab er ein Vermögen, und völliges Mißmanagement pulverisiert die Summe in kürzester Zeit. Inzwischen hat er aufgegeben und seine Anteile mit Verlust weiterverkauft.

Der Schuldenberg wächst derweil weiter und brachte die Lizenz in Gefahr, wäre da nicht ein neuer Investor aufgetaucht, der schnell frische 100 Millionen Euro lieferte. Auch das ermöglicht keinen finanziellen Spielraum. Wäre ich nicht durch meine Herkunft bis zum Lebensende mit diesem Verein verbunden, würde ich ihm alles Schlechte wünschen. So viel Unfähigkeit, Selbsttäuschung, gepaart mit teils unerträglicher Wokeness gehören bestraft.