© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Frisch gepreßt

Giftig gut. „Toxic Positivity“ ist ein Begriff, über den der von Neugierde Getriebene vermutlich schon das eine oder andere Mal gestolpert sein wird. Bevorzugt in Ecken des Internets und zunehmend auch des Feuilletons, der üblicherweise eine ganze Reihe von Dingen für „toxisch“ hält. Nun gehört also auch das positive Denken dazu. Genauer: eine bestimmte Art des positiven Denkens. Denn auf einen einfachen Nenner heruntergebracht, ist Toxische Positivität eine unpassende, unempathische Fröhlichkeit. Manchmal auch eine Fröhlichkeit, hinter der sich eigentlich mehr oder weniger geschickt getarnte Aggression verbirgt. Das wird von Goodman, selbst Psychotherapeutin, mit allerlei Beispielen beschrieben und liest sich durchaus flott und leicht verständlich. Auch Ausflüge in Themen wie Hirnchemie und frühkindliche Prägung werden nachvollziehbar gestaltet. Manchmal vielleicht sogar etwas zu nachvollziehbar. Denn obwohl das Buch eine ganze Bandbreite an einzelnen Themen umkreist, beschleicht einen gleichzeitig das Gefühl, das es nie allzu sehr in die Tiefe geht. Wer aber in seinem Lebensalltag ganz konkret mit dem Phänomen konfrontiert ist, wird zahlreiche praktische Tips bekommen. Und wird sie dann auch auf der nächsten Studentenparty zum Besten geben können. Bevorzugt auf einer, auf der man mit dem Verdachtsmoment „Toxitivität“ Prestige sammeln kann. (lb)

Whitney Goodman: Toxic Positivity. Wie wir uns von dem Druck befreien, immer glücklich sein zu müssen. Verlag Droemer Knaur, München 2023, broschiert, 316 Seiten, 18 Euro





Fluchterfahrung. Es gibt viele Schilderungen der Kriegswirren in den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Und doch stößt man immer wieder auch auf Geschichten, die einen besonders gefangennehmen. Eine solche hat Frank Mahnke veröffentlicht. Es sind die Erinnerungen seines Vaters an Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen 1945. Lange wurde darüber von den Eltern, außer wenigen emotionslosen Fakten, nicht gesprochen. Erst als 80jähriger begann Mahnke sen. seine Erinnerungen aufzuschreiben. Die Familie lebte in Groß Arnsdorf, Kreis Mohrungen. Als die Front näher rückte, gelang Mahnkes Großmutter mit den Kindern in letzter Minute bei Schneesturm und unübersichtlichem Frontverlauf die Flucht per Zug. Sie landeten in der Nähe Berlins. Der Großvater blieb im guten Glauben zurück, wegen der Versorgung des Viehs. Dann war der Krieg vorbei, und die Großmutter beschloß etwas Irrwitziges: Wir gehen zu Fuß zurück nach Ostpreußen! Eine Odyssee nahm ihren Lauf, die in jeden Apokalypse-Roman passen könnte: Hunger, Verstecken, Schändung, Leichen. Es ist ein Stoff, der in kulturell besseren Zeiten verfilmt gehört. (cmw)

Frank Mahnke: Ostpreußen. Flucht, Hoffnung, Vertreibung: Erinnerungen meines Vaters 1944–1946, epubli Verlag, Berlin 2022, broschiert, 158 Seiten, 8,99 Euro