© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Spiele um Macht und Erregung
Neue Enthüllungen um Döpfner / Medienkonzerne Springer und Holtzbrinck rangeln um das riesige US-Geschäft
Regina Bärthel

Mathias Döpfner ist in aller Munde, seit die Zeit private Textnachrichten des Vorstandsvorsitzenden des Axel-Springer-Konzerns veröffentlichte. Die prominent plazierte Enthüllungsgeschichte zitiert inklusive Rechtschreibfehlern: „free west, fuck the intolerant muslims und all das andere Gesochs“. Er bezeichnete „ossis“ als Kommunisten oder Faschisten, Angela Merkel als „sargnagel der Demokratie“ und äußerte Hoffnung auf Donald Trumps Wiederwahl als US-Präsident. Für die Zeit ein Indiz, „wie weit rechts“ der Aufsteiger aus dem Mittelstand stehe. 

Döpfner ist mächtig. Immerhin hält er 22 Prozent am Springer-Konzern. Jetzt werden seine Äußerungen ohne Kontext und Quelle skandalisiert. Er, der die Digitalisierung des Verlagshauses maßgeblich vorangetrieben hat, hätte wissen müssen, daß das Private im digitalen Zeitalter öffentlicher ist denn je. Er entschuldigte sich am Samstag in der Bild für seine anfechtbaren Äußerungen gegenüber Personen, denen er „sehr vertraut“. 

Zumal es um handfeste Interessen geht. Döpfner hat den Springer-Verlag im englischsprachigen Raum etabliert: Neben dem Business Insider kaufte er auch Politico, einen Taktgeber für Nachrichten aus der US-Politik. Gemessen an der Reichweite ist Springer nach Eigenaussage nun der viertgrößte Verlag in den USA. Dafür braucht es finanzielle Mittel, die man beim kanadischen Pensionsfonds CPPIB und beim US-Finanzinvestor KKR fand. Gemeinsam halten sie fast die Hälfte der Aktien. 

Ein schlechtes Ansehen kann sich Springer daher nicht leisten. Als die New York Times – größter Konkurrent von Politico – 2021 über das Verlagshaus sowie den Vorwurf sexueller Belästigung durch Ex-Bild-Chef Julian Reichelt berichtete, faßte Döpfner den Artikel laut Leak bündig zusammen: „in Trump-Camp; lügt strukturell auch gegenüber Politico ist männerdominiert und toleriert Machtmißbrauch gegenüber Frauen“. Die Gefahr eines Ausstiegs der Geldgeber war groß. Döpfner entließ seinen Vertrauten Reichelt. Die New York Times zitierte übrigens auch eine Nachricht Döpfners an den Publizisten Benjamin von Stuckrad-Barre: Reichelt sei „der letzte und einzige Journalist in Deutschland, der noch mutig gegen den neuen DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt“. Kurz nach den jüngsten Enthüllungen der Zeit titelte die Wirtschaftswoche: „US-Investor KKR muß nach Döpfners Entgleisungen endlich Konsequenzen ziehen“. Beide Medien gehören zur Holtzbrinck-Verlagsgruppe, die ebenfalls am US-Markt aktiv ist. Ebenfalls bei Holtzbrinck, genauer bei dem Verlag Kiepenheuer & Witsch, erscheint am 19. April ein neuer Roman von Benjamin von Stuckrad-Barre: „Noch wach?“ Der wird bereits jetzt als Schlüsselroman rund um das Medienhaus Springer gehandelt.