© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Ein Leben für den Jugendbund
Nachruf: Zum Tod von Fritz-Martin Schulz, Bundesführer des Nerother Wandervogels
Anna Kalb

Mehr als vierhundert Jungen und Männer aus den verschiedenen Orden des Nerother Wandervogels kamen am vergangenen Wochenende in den Hunsrück, um ihrem Bundesführer die letzte Ehre zu erweisen. Alle waren gewandet in weiße Hemden, einige hatten ihre Gitarren geschultert. Mit einer Pferdekutsche wurde der Sarg von der Burg Waldeck, auf der ihr Burgherr seit mehr als fünfzig Jahren lebte, zum Dorffriedhof verbracht. Als dieser in die Erde gelassen wurde, senkten sich auch die Ordensfahnen des Bundes. 

Mit Fritz-Martin Schulz, von allen nur FM genannt, starb der Bundesführer des traditionsreichen Nerother Wandervogels. Der 1941 geborene FM war ausgebildeter Fotograf und schloß sich schon als Schüler dem Nerother Wandervogel an. Fast fünfzig Jahre hatte er das Amt des Bundesführers inne, 1974 war er auf Lebenszeit gewählt worden. Zwei Bedingungen galt es fortan zu erfüllen: Unverheiratet zu bleiben und auf der Burg Waldeck zu leben, das ganze weitere Leben also dem Jugendbund zu widmen.

Die Burg war 1922 von den Bundesgründern, den Brüdern Karl und Robert Oelbermann, als Ruine erworben worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte die Teilung des Geländes, unterhalb der Burg etablierte die linke „Arbeitsgemeinschaft Burg Waldeck“ Chansonfestivals, auf denen Franz Josef Degenhardt und Reinhard Mey auftraten. Doch die Nerother verfolgten weiter ihr Burgprojekt: Eine an mittelalterliche Dombauprojekte angelehnte Bauhütte wurde eingerichtet, FM stand dieser etliche Jahre vor. Erst 1999 war das Vorhaben, das komplett in Eigenregie verwirklicht wurde, vorerst beendet. „Von Jungen für Jungen“ prangt über dem Eingangstor, ein dezenter Hinweis darauf, daß es sich bei den Nerothern um einen reinen Jungenbund handelt – übrigens bis heute. 

Öffentliche Zuschüsse für seine Arbeit lehnte er stets ab

FM machte sich über die Jahre vor allem mit seinen Großfahrten nach Amerika, zu denen er ausgewählte Nerother einlud, einen Namen. Monatelang ging er auf Fahrt, erkundete Länder, um in anschließenden Diavorträgen und Singeabenden Geld für das Burgbauprojekt des Bundes einzuwerben. Öffentliche Zuschüsse für seine Jugendarbeit lehnte FM stets ab, sie begünstigten „parasitäre Funktionskader“ und veränderten die ideellen Inhalte, zudem hielt er sie für eine Verschwendung von Steuergeldern. Auch von modernen Kommunikationsmitteln hielt er nichts. Wer mit den Nerothern in Kontakt treten wolle, solle einen Brief schreiben oder persönlich auf die Burg kommen.

Ein Interview, das er der JUNGEN FREIHEIT 2001 gab, sorgte für Irritationen. Etliche seiner Ordensritter schmähten ihn fortan als rechts. Doch er verwahrte sich dagegen: Eine Reduzierung auf ein Rechts-Links-Schema belege nur die eigene Einfalt. Ihm gehe es darum, „ideologiefreie, nicht manipulierbare Menschen“ zu formen. Das gelang Fritz-Martin Schulz vortrefflich.