© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Zeitschriftenkritik: Cato
Jeder Staat hat eigene Interessen
Werner Olles

Zu den höchst unterschiedlichen Standpunkten im Ukraine-Rußland-Konflikt empfiehlt Cato-Chefredakteur Ingo Langner in seinem Editorial der aktuellen Ausgabe (Nr. 3/2023, April/Mai): „Beide Seiten anhören!“ Herzstück des Heftes ist ein Interview Langners mit Peter Brandt. Der Historiker und Publizist macht darin klar, daß sich der Verfassungspatriotismus auf deutsche Traditionen stützen müsse und weist die Vorstellung, daß die ethnisch-nationale Dimension keine Rolle mehr spiele, als „wirklichkeitsfremd“ zurück. Im Falle des Ukraine-Krieges erkennt der Sohn von Willy und Rut Brandt, daß „jeder Krieg eine Vorgeschichte und einen weltpolitischen Zusammenhang hat“, dies werde jedoch kaum diskutiert. Es sei nachvollziehbar, daß die Staaten Ostmitteleuropas aufgrund ihrer Erfahrungen möglichst schnell in die Nato wollten, die aber „unter anderem ein Instrument der amerikanischen Hegemonie“ sei. Über Interessen von Staaten zu diskutieren gelte hierzulande jedoch „als unmoralisch und gewissenlos“.

Thorsten Hinz klopft mit seinem Beitrag „Staatskunst und Schicksal“ das bundesrepublikanische Ukraine-Narrativ auf seine geographische und geopolitische Bedeutung ab. Das Ergebnis ist ernüchternd: Als Domestik des transatlantischen Imperiums habe die Bundesrepublik in der Praxis wie im Geiste die Kontrolle über ihre ureigenen Angelegenheiten verloren. Zwar schien 1990 die Stunde Europas zu schlagen und dem alten Kontinent mitsamt dem Land in der Mitte die Chance eines Neubeginns in einer multipolaren Welt zu gewähren, doch erkannten die USA dies als potentielle Gefahr in Gestalt eines eurasischen Kontinentalblocks. Daß Deutschland in der Geographie und der Geopolitik gescheitert sei, setze diese jedoch nicht außer Kraft: „Die Geographie bleibt Schicksal. Nur liegt dessen Gestaltung nicht mehr in unserer Hand.“

Über die Absicherung der amerikanischen Einflußzone geht es auch in Bruno Bandulets Essay „Mündel und Vormund“. Die Sprengung der Nordstream-Pipelines habe deutlich gemacht, daß Deutschland de facto ein „besetztes Land“ sei. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich bezeichnete 2020 die EU und die Bundesrepublik als „tributpflichtige Vasallen“, nachdem US-Außenminister Rex Tillerson zuvor in Warschau Nordstream 2 eine „Gefahr für die Energiesicherheit Europas“ nannte. Inzwischen mache jedoch die Ampel-Regierung gute Miene zum bösen Spiel, baue Terminals für Flüssiggas und sehe ergeben einer prekären und teuren Energieversorgung entgegen. Bandulets Fazit: „Deutschland steht auf der Verliererseite und leidet.“

Kontakt: Cato Verlag, Fasanenstraße 4, 10632 Berlin. Das  Einzelheft kostet 16,50 Euro, ein Jahresabo 86 Euro.

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