Laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) wurden 2021 in Deutschland 112.000 Frauen Opfer von physischer oder psychischer Partnerschaftsgewalt. Für 109 Frauen endeten diese gewaltförmigen Konflikte tödlich. Daß hierzulande an fast jedem dritten Tag eine Frau eine „Beziehungstat“ nicht überlebt, war für die Bundeszentrale für politische Bildung Anlaß, ein Heft zum Thema „Femizid“ herauszubringen (Aus Politik und Zeitgeschichte, 14/2023). Der 1976 von der Soziologin Diana E. H. Russell geprägte Begriff betont, daß ein Großteil von Frauentötungen im Kontext der „Machtdynamiken von Sexismus und Misogynie patriarchal strukturierter Gesellschaften“ geschieht. Diesem Deutungsangebot folgen alle zehn Beiträger dieses Heftes, ohne zu hinterfragen, inwieweit die bundesrepublikanische Gesellschaft nach Jahrzehnten „Gleichberechtigung und Gleichstellung“ noch immer „patriarchal strukturiert“ ist. Wo sie es infolge türkisch-arabischer Einwanderung ist, etwa in Berlin-Neukölln, wiegelt die dort tätige Familienanwältin Asha Hedayati jedoch ab: Es sei ein Trugschluß, daß Täter vor allem Muslime oder andere „sozial benachteiligte People of Colour“ seien. Angesichts der 35 bis 38 Prozent in der PKS ausgewiesenen nichtdeutschen Tatverdächtigen bei Partnerschafts- oder sexualisierter Gewalt ist das eine ebenso kühne These wie jene der Journalistik-Professorin Christine E. Meltzer (Hannover), für die eine „stereotype Berichterstattung“ der Medien dazu führe, Gewalt gegen Frauen als Problem wahrzunehmen, das „die Anderen“ verursachen. Denn „der gefährlichste Kontakt für eine deutsche Frau ist immer noch der deutsche Mann“.