© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 17/23 / 21. April 2023

Die deutsche Politik hat kein Einsehen
Gebäudeenergiegesetz I: Unbezahlbarer Klimaschutz im Wohnungssektor / Wird Ende 2044 das Gas abgestellt?
Stefan Kofner

In dem Referentenentwurf für die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) geht es um ein Hauptanliegen des Ampel-Koalitionsvertrages: Klimaschutz durch Ausstieg aus der fossilen Wärmeerzeugung bis 2045 und Reduzierung der Abhängigkeit von fossilen Energieimporten. Die vom SPD-Bau- und vom grünen Wirtschaftsministerium geplanten Regelungen betreffen Millionen Bürger, da über 75 Prozent der Gebäude derzeit mit Gas, Öl oder Kohle beheizt werden.

Gleich in Paragraph 1 des neugefaßten GEG wird festgestellt, daß die Strom- und Wärmewende „im überragenden öffentlichen Interesse liegt“ und „der öffentlichen Sicherheit dient“. Erneuerbare Energien und Effizienzmaßnahmen sollen Vorrang gegenüber allen anderen Schutzgütern haben, bis der Gebäudebetrieb im gesamten Bundesgebiet treibhausgasneutral ist. Die beiden Kernpunkte der GEG-Novelle sind der Mindestanteil erneuerbarer Energien bei neuen Heizungen und das Betriebsverbot für fossile Heizungen.

Nach Paragraph 71 GEG-E müssen neue Heizungen ab 2024 mindestens 65 Prozent der Wärme mit erneuerbaren Energien erzeugen. Das betrifft den Neubau ebenso wie den Heizungstausch im Bestand. Ausnahmen davon gibt es nur bei Heizungshavarien, doch diese belasten die betroffenen Bürger doppelt, denn die Übergangsheizung darf nur drei Jahre lang betrieben werden, es sei denn der Eigentümer ist über 80 Jahre alt. Die 65-Prozent-Anforderung gilt für Wärmepumpen als von vornherein erfüllt, obwohl der Strommix bekanntlich bei weitem nicht zu hundert Prozent aus erneuerbaren Energien besteht.

Immer wieder wird die Wahlfreiheit betont, die die Hauseigentümer angeblich bei der Umsetzung hätten. Doch bei Lichte besehen sind die anderen Erfüllungsmöglichkeiten nur Scheinalternativen. Die reine Stromheizung ist in einer Zukunft mit absehbaren Stromversorgungsengpässen ein Kuriosum und nur für besonders energieeffiziente Gebäude zulässig. Die Wärmepumpen-Hybridheizung mit der kleinen Gasheizung als Spitzenlasterzeuger ist keine nachhaltige Lösung, denn die Gastherme muß Ende 2044 stillgelegt werden. 

Mindestens 100.000 Euro Kosten für ein älteres Einfamilienhaus

Die Wasserstoffheizung ist eine reine Seifenblase. Das gilt auch für die Variante „Gasheizung H2 ready“, vor der die Verbraucherschützer warnen. Erstens gibt es solche Geräte noch gar nicht und zweitens liegt nirgendwo der erforderliche, mit hohen Kosten verbundene, „verbindliche Transformationsplan“ des Gasverteilnetzbetreibers für die vollständige Umstellung der Versorgung auf Wasserstoff zum 1. Januar 2035 vor, wobei „die rechtlichen Voraussetzungen für den Netzumbau, insbesondere zur Einstellung der Erdgasversorgung der angeschlossenen Kunden“ erst noch zu schaffen wären. Abgesehen davon entstehen enorme Umwandlungsverluste, wenn mit Hilfe von Strom Wasserstoff hergestellt wird, und außerdem wird der knappe Wasserstoff für den Bedarf der Stahl- und Chemieindustrie benötigt werden.

Es läuft also auf die Wärmepumpe hinaus, wobei die inzwischen hinlänglich bekannten Probleme auftreten: Im energetisch unsanierten Altbau werden die nötigen Vorlauftemperaturen nicht erreicht, und an kalten Wintertagen schnellt der Stromverbrauch der Pumpen in die Höhe. Das Haus muß also energetisch ertüchtigt werden, so daß Kosten für Hüllensanierung plus Flächenheizung entstehen, die die Kosten der Wärmepumpe um ein Mehrfaches übertreffen. Die Gesamtkosten betragen für ein älteres Einfamilienhaus mindestens 100.000 Euro.

Eine derartige Investition in das Gebäude kann auch erforderlich werden, wenn für den alten Heizkessel ein Betriebsverbot nach Paragraph 72 GEG-E greift. Es gilt nach wie vor, daß Heizkessel, nach Ablauf von 30 Jahren nicht mehr betrieben werden dürfen. Allerdings gelten Ausnahmen für Niedertemperatur-Heizkessel und Brennwertkessel sowie für besonders kleine und besonders große Heizanlagen. Außerdem ist schon vor dem 1. Februar 2002 selbstgenutztes Wohneigentum von der Tauschpflicht ausgenommen. Ein neuer Eigentümer hat dann aber nur zwei Jahre Zeit, um die Maßnahme nachzuholen. Entfallen ist jedoch die Sonderregelung bei im Einzelfall unangemessen hohem Aufwand oder unbilligen Härten.

Der entscheidende Punkt des Entwurfs ist, daß Heizkessel ab dem 1. Januar 2045 nicht mehr mit fossilen Brennstoffen betrieben werden dürfen. Und dabei sind keine Ausnahmen vorgesehen, weder für große noch für kleine Heizanlagen und auch nicht für die modernste Heiztechnik, für Gas-Hybridheizungen oder für ältere Hausbesitzer. Einzig Holzheizungen dürfen weiterbetrieben werden, da sie keine „fossilen“ Brennstoffe nutzen.

Zum Jahresende 2044 soll dann also überall das Gas abgestellt werden. Wertvolle Infrastruktur, das rund 522.000 Kilometer lange Gasverteilnetz mit mehr als 12,8 Millionen angeschlossenen Haushalts- und 1,7 Millionen Gewerbe- und Industriekunden wird damit entwertet. Die Umrüstung eines Teils des Leitungsnetzes für die Wasserstoffverteilung an die Stahl- und Chemieindustrie kann man sich wahrscheinlich sparen, da von diesen Industrien bis 2045 eben wegen der forcierten Energiewende am Standort Deutschland nicht mehr viel übrig sein wird. Habecks Staatssekretär Patrick Graichen hat die Stadtwerke schon aufgefordert, den Rückbau der Gasnetze zu planen. Für die Kosten dieses Rückbaus gibt es noch keine Schätzungen.

Die GEG-Novelle trifft im übrigen nicht nur Selbstnutzer, sondern auch Mieter. Deren Position ist aber nicht so schlecht, denn die erlaubte Modernisierungsumlage beträgt nur noch acht Prozent der umlegbaren Kosten, und sie ist mit zusätzlichen Kappungen versehen. Außerdem müssen in Anspruch genommene Förderungen von der Bemessungsgrundlage der Modernisierungsumlage abgezogen werden. Dennoch sind die Wärmepumpen mit den teuren Begleitinvestitionen zu großen Teilen preisrechtlich nicht umlagefähig. Hier müßten die zuständigen Ampel-Minister Klara Geywitz (SPD) und Robert Habeck (Grüne) mit einer staatlichen Förderung also eine große Anreizlücke schließen.


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