Mehr Deutschsprachige in Polen als noch 2011
Warschau. In Polen hat die Zahl der Deutschsprachigen massiv zugenommen. Das geht aus der Volks- und Wohnungszählung des Statistischen Zentralamts in Warschau vom 11. April hervor. Bei der Erhebung wurden die Beteiligten unter anderem gefragt, ob sie im Privaten auch eine andere Sprache als Polnisch verwendeten. 199.000 Personen gaben an, Deutsch zu sprechen. Bei der vergangenen Befragung von 2011 waren es lediglich 96.000 gewesen. Gleichzeitig sank die Zahl derjenigen, die eine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Das sind aktuell etwa 132.000 Personen, 2011 waren es noch 15.000 mehr. Der Vorsitzende des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG), Rafal Bartek, sagte, das Ergebnis sei besser als erwartet. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß das, was im Minderheitengesetz und in der polnischen Verfassung verankert ist, nicht umgesetzt wird“, kritisierte er. „Inzwischen haben wir das Gefühl, daß wir in eine Zeit zurückkehren, in der das Deutschsein etwas Verborgenes, etwas Schändliches sein sollte. Die Zahl der Menschen, die die deutsche Sprache verwenden, hat um mehr als 100 Prozent zugenommen.“ Dies stehe im Widerspruch zur staatlichen Politik, die den Zugang zum Unterricht in dieser Sprache einschränke, sagte Bartek. Ab dem 1. September 2022 wurde der Schulunterricht für Deutsch als Minderheitensprache von drei auf eine Wochenstunde gekürzt. Die VdG und andere Verbände deutscher Minderheiten in Polen hatten bereits im März 2022 eine Petition gegen das Vorhaben der polnischen Regierung gestartet. Am 22. Januar hatte Bildungsminister Przemyslaw Czarnek (PiS) zusammen mit anderen Politikern Vertreter der deutschen Minderheit in Polen getroffen und versprochen, die Regelung wieder aufzuheben. VdG-Chef Bartek sagte dazu: „Bei dem Treffen haben wir die Zusage erhalten, daß die beschämende Verordnung, die 50.000 Kinder der deutschen Minderheit diskriminiert, noch in diesem Semester aufgehoben werden soll.“ Dennoch sehe der VdG „keine Bewegung seitens des Ministeriums“, kritisierte Bartek. „Wir appellieren an den Minister, sein Wort zu halten und alle polnischen Bürger gleich zu behandeln“, sagte er. Aneta Buczek vom VdG wurde in ihrer Kritik noch deutlicher. „Ich mache keinen Hehl daraus, daß ich als Elternteil eine Zeit ohne zusätzlichen Deutschunterricht als vergeudete Zeit in der Erziehung meiner Kinder betrachte.“ Daher habe der VdG beschlossen, nicht nur die Petition zu verlängern und mehr Unterschriften zu sammeln, sondern auch fünf Fragen direkt an Bildungsminister Czarnek hinzuzufügen. Die Fragen lauten: Was ist mit der Petition von fast 15.000 polnischen Bürgern zur Beendigung der Diskriminierung von Kindern? Was ist mit der Erklärung des Ministers vom 22. Januar – zur Beendigung der Diskriminierung von Kindern? Was ist mit den Hunderten von Deutschlehrern, die über Nacht ihre Arbeit verloren haben? Warum werden 50.000 Kinder, polnische Bürger, im polnischen Bildungssystem aus nationalen Gründen diskriminiert? Was ist mit den Arbeitsplätzen und der Zukunft der jungen Menschen, denen das Recht auf Bildung verwehrt wird? (st)